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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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heiter werden. Ob Sophies Vater ihr ebensolche Vorträge hielt? Pflegte er die gleichen Vorbehalte gegen uns Katholiken wie Henri gegen die Hugenotten?
    »Meinst du nicht, dass du mit deinem harten Urteil vielleicht ein wenig übertreibst, Henri? Ich meine, warum verfolgst du diese Sache nur mit einem solchen Eifer? Früher hast du dich nie dafür interessiert.«
    Sein Blick wurde düster und er verschränkte die Arme vor seinem dunkelblauen Wams. »Früher hatten sie nicht solchen Einfluss. Glaubst du denn, sie werden die Ämter, die sie nun innehaben, je wieder freigeben? Nein, wenn wir erst einmal ein Amt an einen von ihnen verloren haben, werden die Söhne ihre Väter beerben und irgendwann bleibt uns nicht mehr viel zu sagen.«
    »Suchst du deshalb die Unterstützung des Herzogs d’Épernon?«
    »Ich weiß, du kannst ihn nicht leiden, Himmel, ich kann ihn die meiste Zeit selbst nicht ausstehen, aber das spielt keine Rolle. Er hat Einfluss.«
    »Ist das alles, was dich interessiert?«
    »Warum sollte es nicht? Glaubst du, unsere Familie vermehrt ihr Vermögen allein durch Herumsitzen?«
    »Die Hotels in Paris laufen gut, ihre Vermietung sichert Vater ein beachtliches Einkommen.«
    Henri lachte. »Das reicht längst nicht aus, Charlotte. Vater ist alt, im Grunde will er nur seine Ruhe haben, er verkennt die Zeichen der Zeit. Wenn wir uns jetzt nicht der richtigen Freunde versichern, wird es irgendwann zu spät sein.«
    »Ist Auguste Bonfour auch ein Freund von dir?«
    Überrascht sah er mich an. Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren. »Woher kennst du diesen Namen?«
    »Ich bin nicht so naiv, wie du denkst, Henri. Auch ich sehe Dinge und erfahre Dinge. Glaubst du wirklich, du kannst deine Beziehungen zu diesen Leuten geheim halten? Du selbst hast mir gesagt, dass man im Louvre vorsichtig sein muss, aber du scheinst dich nicht an deine eigenen Worte zu halten. Wenn Vater oder, noch schlimmer, der König erfährt, dass du dich mit diesem Mann abgibst, wirst du nicht nur dir selbst schaden.«
    Plötzlich sank Henri auf dem Stuhl mir gegenüber zusammen. Auf einmal sah er unglücklich und verwirrt aus und von seiner herablassenden Art war nichts mehr zu erkennen. Ich wusste nicht, wie ich ihm helfen konnte. Er schien sich in eine Sache verstrickt zu haben, die ihm über den Kopf wuchs, von der er aber nicht wusste, wie er ihr entrinnen konnte.
    Vorsichtig streckte ich die Hand aus und fuhr ihm über die Haare. »Du musst aufpassen, Henri, dein Ehrgeiz kann dich sonst den Kopf kosten.« Meine Stimme war zu einem Wispern herabgesunken und die Stille um uns herum kam mir auf einmal gespenstisch vor. Obwohl in den Mauern des Louvre Hunderte Menschen ihrer Wege gingen, verspürte ich das Gefühl nagender Einsamkeit.
    Orson musste meine Verzweiflung gespürt haben, denn er kam angetrottet und stupste mich mit der Schnauze an, als wolle er mich trösten. Schweigend saßen Henri und ich uns gegenüber und wussten beide nicht, was wir sagen sollten.
     
    Nachdem Henri gegangen war, erinnerte mich Manon an die Ballettproben. Wieder einmal eilte ich durch die Gänge, um rechtzeitig zu erscheinen, aber als ich den Saal betrat, kam mir ein Diener in gelber Livree entgegengeeilt, der nicht wagte, mich anzusehen, und nervös von einem Fuß auf den anderen trat.
    »Mademoiselle«, stieß er hervor und rang die Hände.
    »Ja?«
    Im Hintergrund stand die Königin mit dem Rücken zu mir, die Hände in die Hüften gestützt. Die Art, wie die Mädchen die Köpfe senkten und überall hinsahen, nur nicht zu mir, beunruhigte mich.
    Der Diener räusperte sich und ich sah ihn wieder an.
    »Die Königin ...«, begann er und warf mir einen flehenden Blick zu, doch ich verstand nicht, was er mir zu sagen versuchte. »Das Ballett ... Eure Anwesenheit ... Die Königin bat mich ...« Es war kaum mit anzusehen, wie sich der arme Kerl abmühte.
    Als der Geiger mit der Musik begann und sich die Mädchen in Bewegung setzten, obwohl sie mich sahen, begann ich endlich zu ahnen, was der Mann mir zu sagen versuchte. Die Bewegung machte es schwerer, die Mädchen zu zählen, trotzdem gelang es mir mit ein bisschen Konzentration.
    Neun.
    Zehn.
    Elf.
    Zwölf .
    Das Ballett war vollständig. Jetzt erkannte ich auch das neue Gesicht in der Menge.
    Das hatten also die abgewandten Gesichter und das Gestammel des Dieners zu bedeuten. Die Königin hatte beschlossen, mich im Ballett zu ersetzen.
    Obwohl ich zuerst gar nicht in das Ballett gewollt hatte, traf mich

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