Blutrote Lilien
seltsame Art, als wäre ich ein faszinierendes Tier in einer Kuriositätenschau, das er noch nie zuvor gesehen hatte. Dabei sollte man annehmen, dass er am Hof genug Damen kennenlernte. Aber Manon hatte ja schon erzählt, dass er mit den Frauen auf keinem guten Fuß stand. Kein Wunder, wenn er jedes Mal so unfreundlich war!
»Angoulevent scheint Euch zu mögen«, stellte der Prinz unvermittelt fest und es klang fast erstaunt. »Kein Tag vergeht, an dem er mir nicht von Euren zahlreichen Vorzügen berichtet.«
»Nun, ich mag ihn auch sehr gern.«
»Die wenigsten Damen mögen ihn.«
»Die Köchin Annabelle scheint ihn zu mögen.«
»Ihr kennt die Köchin aus den Tuilerien? Woher?«
Ich biss mir auf die Zunge, das hatte ich nun von meinem vorlauten Mundwerk. »Wir sind uns begegnet«, wich ich aus.
»In der Küche?«
Ich nickte und hoffte darauf, dass das Thema beendet war, aber so leicht ließ sich der Prinz nicht abbringen. »Und was hattet Ihr dort zu schaffen?«
»Ich wollte einen Tee.«
»Tee?« Misstrauisch zog er die Augenbraue hoch.
»Aber ja.«
»Und da seid Ihr einfach in die Tuilerien gegangen. Für einen Tee. Ihr seid eine schlechte Lügnerin, Mademoiselle.«
Zornig wandte ich mich ab und lief mit geballten Fäusten weiter. Mit diesem Menschen war kein vernünftiges Gespräch möglich! »Glaubt, was Ihr wollt, ich bin Euch keine Rechenschaft schuldig.«
»Ich werde wohl einfach den Narren fragen, vielleicht erzählt er mir mehr über Eure Angewohnheit, wie eine Magd Tee aus der Küche zu holen!«, rief er mir nach.
»Ja, tut das. Und richtet ihm gleich noch aus, dass ich seine Meinung über seinen Herrn nicht teile. Ein Wachhund ist freundlicher als Ihr!«
Als ich um die Ecke bog, hörte ich ein dunkles Lachen, das mir folgte. Was fand der Prinz nur so komisch?
- 15 -
Der nächste Tag brachte Vater schon am frühen Morgen zu mir, denn er wollte mir zu meinem Erfolg beim König gratulieren. Eine geschlagene Stunde lang hielt er mir einen Vortrag, wie ich die Gunst des Königs erhalten könne. Was ich sagen oder tun solle, wann ich dem König zustimmen oder ihm widersprechen solle, über welche Themen ich besser nicht sprach und worüber der König gern redete. Zweimal war ich kurz davor, in meinem Sessel einzuschlafen.
»Ich glaube, Ihr macht die ganze Sache größer, als sie eigentlich ist, Vater. Wir haben lediglich ein wenig geplaudert. Wenn man Euch so reden hört, könnte man annehmen, ich wäre auf einer diplomatischen Mission gewesen.«
Aber Vater schüttelte den Kopf. »Glaub mir, Charlotte, jedes Gespräch mit dem König gleicht einer diplomatischen Mission, das bringt sein Amt mit sich.«
Ich versuchte, ihm zu erklären, dass es zwar angenehm war, sich mit dem König zu unterhalten, dass ich aber kein Interesse daran hatte, zur Favoritin aufzusteigen, doch Vater unterbrach mich, wie er es immer tat, wenn er glaubte, ich hätte etwas nicht verstanden.
»Es spielt keine Rolle, ob du Favoritin sein möchtest. Wenn der König dich dazu macht, kannst du dich nicht dagegen wehren.«
Er fuhr fort mit seinen Anleitungen und schärfte mir ein, unter keinen, unter gar keinen Umständen über Politik zu reden! Das Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten verschärfe sich weiter und der König reagiere ungehalten auf jeden, der das Thema auch nur ansprach, weil er sich dessen nur allzu bewusst war. Es gab Parteien am Hof, die davon profitierten, wenn der Streit zwischen den Konfessionen erneut eskalierte.
Ich fragte mich, ob Henri in diesen Kreisen verkehrte und ob ich Vater von der Äußerung des Königs und Sophies Warnungen erzählen sollte. Doch dann entschied ich mich dagegen, ich wollte zunächst mit Henri allein darüber reden und ihn nicht vorschnell in Schwierigkeiten bringen.
Kaum hatte Vater mein Zimmer verlassen, tauchte auch schon mein Bruder auf, als hätte er irgendwie gemerkt, dass es mich drängte, ihn zu sehen. Manon brachte uns einen kleinen Imbiss, Biskuitkuchen mit Marzipan, und zog sich dann aus meiner Kammer zurück.
Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, begann Henri ebenfalls, im Zimmer auf und ab zu gehen und dabei mit wild gestikulierenden Händen Vorträge zu halten. Sie klangen Vaters alles in allem recht ähnlich, nur schlossen sie mit seiner Meinung zum Thema Hugenotten in königlichen Ämtern, die alles andere als schmeichelhaft war und mich weiter beunruhigte.
Erschöpft ließ ich den Kopf auf die Stuhllehne sinken. Das konnte ja
Weitere Kostenlose Bücher