Blutrote Schwestern
Pfütze seines Blutes, und er schlägt in seiner Qual nach mir, wobei seine Kiefer klackernd aufeinanderschlagen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis er zu Schatten wird, bei einer derart stark blutenden Wunde.
Ich höre ein Knurren hinter mir, gefolgt von einem wütenden, gebrüllten Bellen. Die drei Fenris sammeln sich, der größte in der Mitte – ich weiß nicht mehr, wer von ihnen zuvor welcher Mensch war. Sie nähern sich mir mit langsamen, gleichmäßigen Schritten, die Köpfe gesenkt, die Zähne gebleckt. Die beiden an den Außenseiten versuchen, mich in die Zange zu nehmen. Ich erhebe mein Beil und ziehe das Messer aus der Scheide.
Ich darf sie auf keinen Fall hinter mich gelangen lassen. Schnell mache ich einen Schritt rückwärts, um sie in dem Glauben zu lassen, ich würde davonrennen. Die beiden Wölfe an der Außenseite springen auf mich zu, einer an meine Kehle, der andere an meine Beine. Ich weiche geschickt aus und erlaube es einem, an meinem Gesicht vorbeizufliegen. Eine seiner Klauen versinkt mit einem reißenden Geräusch in meiner Schulter. Ich zucke zusammen, aber da ist der zweite Wolf bereits bei mir. Sein weit geöffnetes Maul umschließt meine Hüfte, ich sehe nur aufgerissene Augen und gelbliche, messerscharfe Zähne. Mir bleibt kaum noch Zeit, aus dem Weg zu springen, als seine Zähne aufeinanderschlagen. Bevor er es noch einmal versuchen kann, versenke ich das Jagdmesser in seinem Rücken.
Nun schlägt der größte Wolf in meine blinde Seite ein. Mein Beil wird davongeschleudert, und zum ersten Mal frage ich mich, wo Silas ist.
Rosie, er ist bei Rosie. Sie ist in Sicherheit.
Ich fühle, wie etwas in meiner Brust zerbricht, und höre das scharrende Geräusch von Klauen auf Pflastersteinen, als die anderen Wölfe aufstehen. Der größte Wolf keucht, Speichelfäden tropfen aus seinem Maul in meinen Nacken. Seine Augen sind gelb, pulsieren, und seine Iris ist von so viel Weiß umgeben, dass er wirkt wie der personifizierte Wahnsinn. Mit einem dunklen, tiefen Knurren presst er eine Pfote auf meine Brust und beginnt sie langsam nach unten zu ziehen, wobei er mir die Haut zerschneidet.
Ich will schreien. Aber das werde ich nicht. Nicht, wenn er mich so betrachtet: freudig erregt, voller Erwartung. Ein rauchiges, krächzendes Geräusch würgt sich aus seiner Kehle – Gelächter? Es dringt in mich ein, macht mich wütend, lässt mein Blut kochen.
Ich schwinge die rechte Faust in das Gesicht des Wolfs und treffe ihn am Unterkiefer. Mehrere Zähne segeln in die Nacht. Meine Finger öffnen sich, beginnen wegen des Hakens zu bluten, aber es hat gereicht, den Wolf für einen winzigen Moment abzulenken. Ich ziehe die Beine an und trete ihm in seine Schwachstelle, den Unterleib. Er rollt von mir, japst nach Luft, und ich taumele auf die Füße. Lediglich noch ein Wolf ist unverletzt.
Nur dass da nicht bloß ein Wolf ist.
Alle vier, selbst die beiden, die ich verletzt habe, ragen vor mir auf. Ihre Schulterblätter rollen, als sie vorwärtszucken.
Was passiert hier?
Sie sind bereit, weiterzumachen.
Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es bin. Ich presse eine Hand auf die Brust, versuche die Blutung zu stillen, versuche mein Beil und mein Messer zu entdecken, ohne die Wölfe aus dem Auge zu lassen. Die Wunden der Wölfe
heilen
tatsächlich irgendwie. Außerdem sind sie stärker. Stärker als ich. Stärker als die meisten Fenris. Ich stähle meinen Blick und versuche mir die mich ergreifende Angst nicht anmerken zu lassen. Ich werde nicht allein mit ihnen fertig.
Ein Messer schwirrt neben meinem Kopf durch die Luft, verfehlt allerdings den großen Fenris. Rosies Messer. Sie und Silas kommen näher, besorgt, verwirrt. Das Messer löst eine Lawine von Bewegungen aus. Die Fenris springen vor, als wären sie eine Einheit. Der jüngste Wolf, der blonde Junge sozusagen, kommt auf mich zu, die anderen stürzen sich auf Rosie und Silas. Ich trete dem Fenris die Hinterläufe unter dem Körper weg und erkaufe mir so gerade genug Zeit, um mein Beil zu ergreifen. Sein Maul öffnet sich, diesmal schnappt er nach meinem Kopf, nach meinem Gesicht.
Ich warte den letzten Moment ab. Bevor sich seine Kiefer um meine Wangen schließen können, wuchte ich das Beil herum. Mit einem knackenden Geräusch senkt es sich in den Nacken des jungen Wolfs und durchtrennt seine Wirbelsäule. Er fällt zu Boden, zittert kurz und löst sich dann in den Schatten, die im Mondlicht davoneilen, auf.
Ich fahre zu Rosie und Silas
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