Blutrote Schwestern
Mädchen in Blutrot, das davongeht. Unwiderstehlich.
Der Fenris schießt vor ihr umher, nichts als ein Schatten, der durch die dunkle Nacht eilt. Meine Schwester bemerkt ihn, endlich, lässt es sich aber nicht anmerken. Sie schlendert den Weg hinunter, die Bäume und das Gebüsch blockieren die Sicht von der Straße. Der Fenris tritt vor ihr auf den Weg.
»Hi. Weißt du, dass der Park spätabends geschlossen hat?« Er flirtet.
Ich spähe um einen Magnolienbaum, um nun, da er im Mondlicht steht, einen besseren Blick auf sein Gesicht werfen zu können. Er ist jung. Sehr jung – gerade mal in Rosies Alter. Sein Haar ist blond, er hat runde Wangen und ist schlaksig wie jemand, der gerade erst die Pubertät hinter sich gelassen hat. Wie jemand, der in einer Garagenband spielen könnte.
Rosie zuckt mit den Schultern, während sie sich eine Haarsträhne um den Finger wickelt. »Ich hab mich verlaufen. Dachte mir, ich gehe schnell hier durch. Bist
du
nicht ein bisschen zu jung, um so spät noch unterwegs zu sein?« Ihre Stimme ist niedlich und sexy zugleich.
»Vielleicht.« Seine Stimme klingt älter, als sein Gesicht vermuten lässt.
Rosie zögert kurz, und ich merke, wie sie ihn nochmals begutachtet. Sie ist sich nicht sicher, ob er tatsächlich ein Fenris ist. Kurz fängt sie meinen Blick auf, nur für einen Sekundenbruchteil, aber ich nicke. Er hat keine Seele.
»Wie alt bist du eigentlich?«, sagt sie und geht dabei einen Schritt rückwärts, fort von der Straße. Verheißungsvoll lässt sie die Hüften kreisen.
»Lass uns sagen … 14.« Der Fenris gluckst und macht ein paar langsame Schritte auf sie zu. Seine Finger zucken, und selbst von hier aus kann ich sehen, wie sich seine Nägel zu spitzen Krallen verformen. Mit den Fingern fährt er sich durch das unordentliche Haar. Das würde schon genügen, um die meisten jungen Mädchen dahinschmelzen zu lassen. Rosie spielt fantastisch mit, beißt sich auf die Lippen und kichert.
»14? Du
bist
jung.« Eine Spur von Mitleid gleitet über ihr Gesicht, denn es tut ihr oft um die Jüngeren leid. Sie fragt sich, wie sie wohl wären, wenn sie keine Wölfe wären.
Der Fenris lacht, seine Stimme ist rauh und gänzlich ohne Humor, sein Haar ein wenig dunkler. Rosie geht einen weiteren Schritt zurück. Ein großer, von Blumen umgebener Springbrunnen nimmt mir die Sicht. Ich verrenke mich, um etwas zu erkennen, aber der Fenris geht vorwärts, und sie sind beide außerhalb meiner Sicht.
»Verdammt, wir müssen eingreifen«, flüstere ich.
»Warte.« Beruhigend legt Silas mir eine Hand auf die Schulter und zieht mich zurück.
Ich wäre beinahe hingefallen und starre ihn wütend an, aber dann blicke ich in die Richtung, in die er nickt. Quer durch den Park, außer Hörweite, aber dank einer Straßenlaterne gut sichtbar in der Dunkelheit, steht eine Gruppe von drei Männern. Sie bewegen die Köpfe ruckartig, fast wie Tiere. Einer hebt die Nase in die Luft, wie um den Geruch aufzunehmen, den der Wind herbeiträgt. »Was meinst du?«, fragt Silas.
»Oh ja. Fenris.«
Sobald ich es ausgesprochen habe, beginnt das Haar auf den Armen eines der Männer zu sprießen, aber er kann die Transformation kontrollieren, und das Fell zieht sich in die Haut zurück. Sie bewegen sich von uns fort, und das panische Gefühl nimmt zu. Noch mehr von ihnen entkommen.
»Dann von hier irgendwo?«, fragt der junge Fenris Rosie.
Seine Stimme ist über dem Straßenlärm kaum hörbar, und Rosies Antwort kann ich überhaupt nicht verstehen.
»Ellison? Netter Ort, hab ich gehört. Ich komme aus Simonton.«
»Lett … du solltest ihnen folgen«, sagt Silas, während er an den ledrigen, dicken Magnolienblättern zupft, um sich zu tarnen. Er greift auf seinen Rücken und zieht die Axt aus seinem Rucksack.
»Was ist mit Rosie?«, zische ich.
»Ich bleibe bei ihr. Du bist schneller als ich, du wirst mit der Gruppe wesentlich effizienter fertig, als ich es je könnte. Ich werde Rosie beschützen, ich verspreche es.«
»Silas …«
»Lett,
ich
bin es! Komm schon. Deiner Schwester wird nichts passieren.«
Ich blicke Silas lange in die Augen, warnend, drohend, dann nicke ich kurz. Ich kann die drei Fenris nicht einfach davongehen lassen. Silas ist mein Partner. Man kann ihm Rosies Leben anvertrauen. Ich schleiche los, gebückt hinter einigen Azaleen, während Silas durch die Magnolien in die andere Richtung davonschlüpft. Das Rudel dreht sich in Richtung des Geräuschs meiner näher kommenden
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