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Blutrote Schwestern

Blutrote Schwestern

Titel: Blutrote Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jackson Pearce
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eines weiteren Mädchens. Wo sind sie? Ich renne die Peachtree hinab und entdecke eine Seitenstraße zu meiner Linken, so klein, dass sie kaum eine Gasse ist. Mehrere Gestalten zeichnen sich am Ende der Gasse ab, zwei Mädchen, die sich aneinanderpressen, und ein gigantischer Wolf, der sie mit aufgerissenem Maul umkreist. Es waren drei Mädchen, nicht zwei. Mein Magen rebelliert. Ich ziehe mein Beil von der Hüfte und stürze die winzige Gasse hinab, einen Kriegsschrei auf den Lippen.
Bitte. Ich kann euch immer noch retten.
    Der Wolf brüllt wütend auf, fletscht mich mit gelben, glänzenden Zähnen an. Ich hebe mein Beil – ich werde sie nie und nimmer rechtzeitig erreichen, daher muss ich es werfen. Die Fänge des Wolfs schlagen aufeinander, und eines der Mädchen schreit panikerfüllt auf, als sich die Zähne in ihr Bein bohren. Ich werfe das Beil mit solcher Gewalt und solchem Hass, dass ich nach vorn kippe und auf das ölige Pflaster schlage, während die Waffe durch die Luft saust.
    Mit den Händen stütze ich mich auf, will mich hochwuchten, weitermachen, aber meine rechte Hand landet in etwas Warmem und Weichem. Im Hochfahren erkenne ich gerade genug davon. Zu viel. Es ist der Ellbogen einer jungen Frau. Ihr abgerissener Ellbogen. Nur eine kleine Rundung aus Haut und Knochen, weggeworfen wie ein Stück Müll. Der Boden schwimmt in Rot. Überall Rot. Blut, verfilzte Haare und Überbleibsel von … Ich würge, trotz allem, was ich schon gesehen habe, schließe das Auge und zwinge mich, stehen zu bleiben.
    Dann laufe ich auf die beiden überlebenden Schmetterlinge zu und erkenne schweren Herzens, dass sie die einzigen Lebewesen am Ende der Straße sind. Meine geworfene Waffe hat ihr Ziel verfehlt. Der Fenris ist in der Nacht verschwunden, nun, nach seiner Mahlzeit, wieder konzentriert und stark. Wut durchflutet mich. Ich bin viel zu wütend, um zu sprechen, und meine Zunge gehorcht mir nicht. Schnell klaube ich das Beil vom Boden auf.
    Die Mädchen schreien und klammern sich aneinander, die Augen weit aufgerissen und mit Tränen gefüllt.
    »Es ist weg«, sage ich.
    Sie betrachten meinen Körper, die Narben, die mich bedecken, und das Beil in meiner Hand. Ich weiß nicht, was ich ihnen sonst noch sagen soll. Ihre Freundin ist tot. Haben die beiden gesehen, wie der Wolf sie gefressen hat, oder hat er sich die Erste in der Dunkelheit geschnappt? Irgendjemandes Freundin, irgendjemandes Tochter, Enkeltochter, irgendjemandes Schwester – nicht mehr als Futter für ein Monster. Mein Magen zieht sich erneut zusammen, und ich versuche, mich in den Rinnstein zu übergeben, schaffe es aber nicht. Als ich einen Schritt auf die Mädchen zu mache, schreien sie wieder. Schnell bedecke ich die vernarbte Seite meines Gesichts mit meiner Kapuze, um sie zu beruhigen.
    »Los, kommt. Ich bringe euch zu einem Taxi. Ihr solltet nach Hause gehen.«
    Sie zittern, haben Angst, sich zu bewegen. Angst, zu atmen. Ich weiß, wie sie sich fühlen – sie denken, es sei alles ein schrecklicher Alptraum, als sie die Straße schwankend hinablaufen. Habe ich so ausgesehen, als ich vor Jahren vor meiner Schwester stand?
Nichts kann euch helfen, Schmetterlinge. Sagt der Welt, die ihr kanntet, Lebewohl. Willkommen am Ausgang der Höhle. Es tut mir leid, dass ich gescheitert, dass ich zu spät gekommen bin. Es tut mir unendlich leid.
    Ich führe sie um die kleinen verstreuten Körperteile des Mädchens herum zur Hauptstraße. Dann bringe ich sie zu einem Taxi, und sie fahren durch die Nacht davon. Sie schauen nicht zurück, als hätten sie Angst, dass auch ich ein Teil ihres bösen Traums sein könnte. Vielleicht, so denke ich, haben sie recht.
     
    Statt den Bus zurück zum Apartment zu nehmen, laufe ich los und versuche, das dunkle, in meinem Herzen nagende Gefühl zu ignorieren. In meinem Kopf läuft die Szene, wie ich den Ellbogen des Mädchens finde, so oft ab, dass ich glaube, ihn noch immer unter meinen Fingerspitzen spüren zu können. Der Gedanke mischt sich mit den Erinnerungen an Oma Marchs Schlafzimmer. Bedeckt vom Blut des toten Fenris, hoffte ich damals, ihr in die Arme fallen zu können. Doch es war nichts von ihr übrig geblieben als eine blutige, zerrissene Schürze. Es ist, als würden die Fenris ein kleines Stück der Opfer absichtlich zurücklassen. Ein Stück, das sich für immer vor all die glücklichen Erinnerungen an den Toten schleicht und nie mehr verschwindet.
    Ein Radio tönt laut durch die Nacht, Autoreifen

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