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Blutrote Sehnsucht

Blutrote Sehnsucht

Titel: Blutrote Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Squires
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über der Flamme der Kerze. Nacheinander versiegelte er die Kuverts mit dem heißen Wachs und drückte seinen Ring in die weiche Masse. Er würde Miss van Helsing beschwören, Mut zu fassen und fortzugehen. Um alles andere wie Geld, ihre Einführung in London und alle weiteren Arrangements würde er sich kümmern. Neben dem auf seine Bank ausgestellten Wechsel konnte er ihr auch Bargeld geben, wenn er sie sah. Auf Reisen hatte er immer sehr viel Geld dabei. Wer würde auch jemanden wie ihn bestehlen? Er griff nach einem weiteren Umschlag und füllte ihn mit Banknoten aus seinem Geldbeutel.
    Dann zog er Hut und Handschuhe an und fischte eine dunkelblaue Brille aus der Tasche seines Rocks, denn selbst am späten Nachmittag würde der Aufenthalt im Freien unangenehm sein.
    Stephan nahm wieder Gestalt an in dem Garten unter den gotischen Bögen, hinter denen der verfallene Teil der Abtei begann. Auf Maitlands ging es zu wie in einem Bienenstock, sah er verblüfft. Im dritten Stock wimmelte es nur so von Arbeitern. Lange Leitern lehnten an den Regenrinnen, und zu seinem Schrecken bemerkte Stephan, dass Eisenstäbe vor den Mansardenfenstern der Kinderzimmer angebracht worden waren.
    »Das war’s, Jungs«, brüllte ein kraftstrotzender Mann in schmutzigen Drillichhosen, der auf der gepflasterten Terrasse stand, den Arbeitern auf den Leitern zu. »Die entwischt nicht mehr. Kommt runter!« Dieser stämmige Bursche musste, seiner kräftigen Statur zufolge, der Schmied des Dorfes sein. »Lasst uns hier verschwinden, bevor es dunkel wird!«
    Männer kraxelten die Leitern hinunter, die dann zusammengelegt und mit übrig gebliebenen Eisenstäben und Werkzeugen in zwei Karren verladen wurden. Schließlich stiegen auch die Männer auf die Karren, und die Pferde wurden in Bewegung gesetzt und trabten durch die Tore davon.
    Miss Ann war eingeschlossen. Hatte jemand ihren geheimen Gang gefunden? Stephan wunderte sich, dass ihr Onkel, so krank er auch war, gestattet hatte, ihre Zimmer in ein Gefängnis zu verwandeln. Oder führte Van Helsing hier schon ganz und gar das Regiment? Wie allein sie sich fühlen musste!
    Stephan sammelte seine Kräfte, als die Sonne hinter den Bäumen verschwand, und nach einem kurzen, scharfen Schmerz stand er in dem kleinen Ankleidezimmer im dritten Stock.
    Ann saß weinend auf dem Bett. Sie spürte Stephans Gegenwart jedoch sogleich, denn sie blickte auf und wischte sich mit einem Taschentuch die Wangen ab.
    Er ging zu ihr. »Was geht hier vor? Warum hat Ihr Onkel diese ... diese Erniedrigung erlaubt?«
    »Mein Onkel ist tot«, erwiderte sie traurig.
    Vorsichtig, um sie nicht zu berühren, setzte Stephan sich zu ihr auf das kleine Bett. »Das tut mir leid.« Sie musste auf der Stelle das Haus verlassen. Ihr blieb gar keine andere Wahl. »Hat Van Helsing befohlen, Sie derart ... einzukerkern?«
    »Nein«, sagte sie und rang sich ein kleines Lächeln ab. »Squire Fladgate und Mr. Steadly waren es, die darauf bestanden. Ich ... ich war ins Dorf gefahren, um den Richter zu überreden, die Heiratserlaubnis, die Erich besorgt hat, für ungültig zu erklären. Aber sie dachten, ich hätte Ihnen bei der Flucht geholfen. Jemand packte mich, und als ich mich losriss, berührte ich versehentlich noch andere, und dann ...« Ann verstummte.
    »Dann wurde alles noch viel schlimmer«, beendete er den Satz für sie. Er wünschte, er könnte sie in die Arme nehmen und sie trösten, vielleicht, weil es auch ihm ein Trost wäre, ihren Schmerz zu lindern.
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie haben mich zurückgebracht und meinen Onkel aufgeregt. Es ist meine Schuld, dass er ...«
    »Seine Tage waren gezählt, an einer Hand vielleicht sogar«, versuchte er, sie zu beschwichtigen, weil er das Schuldgefühl in ihren Augen sah. Doch er kannte diese Art von Schuldbewusstsein nur zu gut und wusste, dass niemand es einem nehmen konnte. »Sie müssen von hier fort.« Er zögerte. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen eine zusätzliche Last aufbürde, aber Sie werden das doch sicher einsehen.«
    »Es ist zu spät. Sie haben sogar meinen geheimen Gang vernagelt.«
    »Das ist nicht der einzige Weg ins Freie.« Er griff in seine Tasche. »Hier sind drei Briefe. Einer ist für meinen Anwalt und einer für den Direktor meiner Bank. Sie werden sich um Ihre Angelegenheiten kümmern. Der dritte ist für eine Dame, die sehr einflussreich ist in der Londoner Gesellschaft. Ihr Name ist Beatrix Lisse, Gräfin von Lente.« Auf die letzten Worte hin erhob

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