Blutrote Sehnsucht
wurde blass.
Steadly schüttelte den Kopf. »Ihre lächerlichen Vorsichtsmaßnahmen waren nichts als Aberglauben, Mann! Knoblauch, Blumen und Kruzifixe konnten Sincai nicht in der Zelle festhalten.«
»Es hätte funktionieren müssen«, murmelte Erich. »Irgendjemand hat ihn herausgelassen.«
»Das denke ich auch«, stimmte Steadly grimmig zu. »Und danach hat er die Tür wieder verschlossen. Sind Sie sicher, dass Sie Miss van Helsing unter diesen Umständen heiraten wollen?«
Diesmal war es Erich, der eine grimmige Miene aufsetzte. »Völlig sicher.«
Der Runner zuckte die Schultern und ging zur Tür. »Ich werde einen kleinen Trupp zusammenstellen, um Mr. Sincai zu suchen, aber sie sollte besser morgen hier sein, damit ich sie verhören kann.«
»Geh hinauf in dein Zimmer«, wies Erich Ann an. »Polsham, Sie holen einen Hammer und Nägel. Wir müssen ihre Tür verbarrikadieren, bis der Schmied herkommen kann.«
Reverend Cobblesham ging zum Bett, um für das Seelenheil des Verstorbenen zu beten. Squire Fladgate nahm Mrs. Scrapples Arm und führte sie hinaus, während Erich auf die Tür zeigte und Ann dann folgte, die sich widerstrebend abwandte.
Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal zu ihrem Onkel um, dessen Gesicht schon keine Farbe mehr besaß. Auf Wiedersehen, lieber Freund , dachte sie. Die Tränen kamen ungebeten und hinterließen Streifen in ihrem Gesicht und einen salzigen Geschmack auf ihren Lippen. Du hast dein eigenes Leben aufgegeben, um mich zu beschützen, und Liebe war das Einzige, was ich dir dafür geben konnte.
Erst dann wandte sie sich ab und stieg die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Geh zu Gott, Onkel.
16. Kapitel
S tephan saß im dunklen Wohnzimmer von Bucklands Lodge und spürte, wie die Sonne draußen durch die Wolken brach. Eine Kerze, die auf dem kleinen Sekretär in einer Ecke brannte, war die einzige Lichtquelle im Raum. Die Vorhänge waren zugezogen, um den neuen Tag auszusperren. Kilkenny und seine Meute hatten sich auch in der vergangenen Nacht nicht sehen lassen. Vielleicht dann heute. Stephan hatte viel über Miss van Helsing nachgedacht, was für ihn nur bedeuten konnte, dass er müde war. Er hatte das Steigern seiner sexuellen Energie geübt, seine Reaktion darauf unterdrückt und die daraus entstandene Macht die ganze Nacht beherrscht. Und dennoch hatte er keine Aureole der Macht erlangt. Es musste einfach so sein, dass er müde war. Wenn er jetzt seine sexuelle Energie aufrief, war das Bild, das ihm in den Sinn kam, Ann van Helsings apartes weißblondes Haar, ihre klaren grauen Augen und ihre blasse, nahezu durchsichtige Haut. Tatsächlich war der einfachste Weg, die Energie zu erhöhen, sich ihren zarten Körper unter seinen Händen vorzustellen wie in dem Moment, als er sie gewaschen hatte. Aber dieser Weg führte zu Wahnsinn und Versagen.
Denn sie würde Maitlands Abbey nicht verlassen. Sie würde Van Helsing nicht die Stirn bieten, sondern diesen Teufel heiraten, vielleicht sogar schon heute – aber morgen auf jeden Fall, und dann würde sie wirklich eine Gefangene sein. Dieser Mistkerl würde ihr Geld bekommen und das Recht haben, Entscheidungen über sie zu treffen. Und wenn er ihr die Unschuld nahm? Sie hatte allen Grund, Wahnsinn zu befürchten. Und kein Gericht würde es Van Helsing untersagen, sie zu nehmen, wann und wie er wollte. Es gab niemanden, der sie beschützen würde.
Rastlos wanderte Stephan vor dem erloschenen Kamin auf und ab. Teufel aber auch! Da regte er sich dieses Mädchens wegen auf, obwohl er sich doch gerade jetzt nicht leisten konnte, überhaupt etwas zu fühlen. Und seine Aufgabe ließ sich auch nicht aufschieben. Kilkenny Einhalt zu gebieten, bedeutete mit ziemlicher Sicherheit, das Los der Welt zu ändern. Es würde die Erlösung sein. Wie könnte er das alles opfern, um einer einzelnen jungen Frau zu helfen?
Andererseits ... wenn er ihre Probleme löste, könnte er vielleicht zumindest das Gefühl loswerden, das sie in ihm weckte.
Ja. Er würde im Laufe des Tages zu ihr gehen. Kilkenny und seine Freunde würden frühestens bei Einbruch der Dämmerung erscheinen, falls sie überhaupt in der kommenden Nacht kamen. Stephan hörte auf, im Zimmer hin und her zu wandern, und setzte sich an den kleinen Sekretär. Feder und ein Tintenfässchen standen bereit, und er fand auch ein paar Blätter in Kanzleiformat. Nachdem er drei verschiedene etwa halb beschrieben hatte, unterzeichnete er alle, faltete sie und erwärmte ein Stück Wachs
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