Blutrote Sehnsucht
des Bettes.
»Bleib liegen, Onkel, bitte!«, bat Ann und lief zu ihm, um sich neben ihn zu knien.
»Sie können von Glück sagen, dass ich sie von Ihnen einsperren lasse, Brockweir«, zischte der Friedensrichter. »Ich könnte sie ebenso gut jetzt gleich schon in den Kerker werfen lassen.«
Onkel Thaddeus holte tief Luft, um zu antworten, doch bevor er dazu kam, erstarrte er.
Ein schreckliches Zischen entwich seiner Kehle, sein Gesicht lief dunkelviolett an, und die Augen traten ihm fast aus den Höhlen. Mit der rechten Hand griff er sich an die Brust.
»Onkel!«, rief Ann entsetzt.
Ein erschrockenes Murmeln ging durch die Menge.
»Nun unternehmen Sie doch etwas!«, kreischte Ann. »Holen Sie Doktor Denton!«
Mr. Watkins fuhr herum und lief zur Tür. Der Rest der Menge war wie erstarrt.
»Onkel!« Aber es war schon zu spät. Der alte Mann fiel aufs Bett zurück, und obwohl seine Augen noch weit offen standen, sahen sie schon nichts mehr. Sie würden nie wieder etwas sehen. Seine Hand rutschte von seiner Brust herunter, und sein Mund blieb offen stehen, doch seine Lippen bewegten sich nicht mehr, um Luft zu schöpfen. Ihr Onkel schien einfach in sich zusammenzufallen. »Onkel ...« Anns Stimme gehorchte ihr nicht mehr.
Stille legte sich über den Raum. Steadly ging zur anderen Seite des mächtigen Bettes und legte zwei Finger an die Kehle ihres Onkels. »Er ist tot.«
Ann ergriff Onkel Thaddeus’ Hand. Der Gedanke, irgendwie wieder Leben in seinen Körper zurückzubringen, ergriff Besitz von ihr und verlieh ihr Mut – trotz allem, was sie an diesem Tag durch das Berühren anderer Menschen erduldet hatte. Aber kein Wasserfall schmerzlichen Wissens überflutete sie. Sie verspürte gar nichts. Es war, als berührte sie einen bloßen Gegenstand. Ein schwacher Eindruck von Thaddeus Trimble, Viscount Brockweir, durchfuhr sie und verschwand wieder, sein letzter Moment des Schmerzes und Bedauerns, dass er sie in solchen Schwierigkeiten zurückließ. Wie typisch für ihn, dass seine allerletzten Gedanken ihr gegolten hatten! Ein jähes Aufschluchzen entrang sich Ann. Sie würde ihn nie wiedersehen, ihn niemals mehr um Rat fragen können und seine Liebe zu ihr spüren. Sie stand jetzt ganz allein gegen das Dorf und ...
»Was für ein Trubel«, erklang da auch schon die verhasste Stimme hinter Ann. »Darf ich fragen, was der Anlass ist?«
»Lord Brockweir ist verschieden«, sagte Richter Fladgate.
Tränen liefen über Anns Wangen, als sie sich erhob und zärtlich die Hand ihres Onkels auf seine Brust legte und ihm liebevoll die Augen schloss.
»So, so.« Erich rieb sich die Hände. »Ein trauriges, aber keineswegs unerwartetes Ereignis. Sind Sie alle hergekommen, um sein Dahinscheiden mit anzusehen? Reverend Cobblesham hätte genügt.«
»Wir waren gekommen, um Ihre Cousine einschließen zu lassen, bis wir entscheiden, wie mit ihr zu verfahren ist.« Der Friedensrichter warf einen Blick auf ihren Onkel. »Doch nun ...«
»Ich werde dafür sorgen, dass Ihren Wünschen entsprochen wird, Sir«, erklärte Erich nüchtern und ohne jedes Gefühl in der Stimme. »Wenn ich im Dorf Eisenstäbe und Schlösser bekommen kann ...«
»Dedham, der Schmied, wird Ihnen beschaffen, was Sie benötigen.«
Ann fühlte sich so fern von alldem, als ginge es sie gar nichts an. Das Einzige, an das sie denken konnte, war, dass dieses Gespräch vor dem Leichnam ihres Onkels geführt wurde, als spielte sein Tod keine Rolle, obwohl er ... alles änderte. Ohne Onkel Thaddeus würde die Welt nie wieder dieselbe sein.
»Dennoch ...« Squire Fladgate zögerte. »Da sie erbt, ist sie ja immerhin die Herrin hier.«
Sie sprachen über sie, als wäre sie nicht anwesend.
»Hat sie es Ihnen nicht gesagt?« Erich setzte eine erstaunte Miene auf. »Wir sind verlobt und werden, wenn möglich, schon morgen heiraten.«
»Dann werde ich die Trauung vornehmen«, bestätigte der Reverend.
»Sie werden die Hexe heiraten?«, fragte Mrs. Scrapple fassungslos.
»Wer sonst kann sie beschützen?« Erich trat vor und sah die Menge an. »Und wer kann euch besser vor ihr beschützen?«
Der Friedensrichter presste grimmig die Lippen zusammen. Er hatte nichts für Erich van Helsing übrig, doch ihm war anzusehen, dass er ihm im Stillen recht gab. Er würde sich bestimmt nicht einmischen. Und Mrs. Scrapples Lächeln wirkte schadenfroh.
»Nicht, bevor ich mit ihr über Sincais Verschwinden gesprochen habe«, blaffte der Bow Street Runner.
»Was?« Erich
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