Blutrote Sehnsucht
sehen , dass das sinnlos war? Zum Teufel mit ihnen und ihrem dummen Stolz! Wäre sie größer, hätte sie sie einfach auseinandergerissen und sie geschüttelt wie eine Katze ihre Jungen.
Aber sie war es leider nicht. Schnell blickte sie sich nach einer Waffe um. Das Einzige, was sie sehen konnte, waren die auf dem Boden verstreuten langen Nägel, mit denen die Tür vernagelt gewesen war. Sie überlegte, ob sie einen oder beide Männer damit stechen sollte, nur um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Doch wahrscheinlich würden sie es nicht einmal bemerken, so versessen, wie sie darauf waren, sich gegenseitig zu vernichten.
Wut kochte in ihr hoch und schnürte ihr die Kehle zu. Männer! Diese zwei waren einfach zu stur, um von ihrem törichten Treiben abzulassen. Nun, da sie von beiden die größten Geheimnisse kannte, hätte sie wahrhaftig mehr von ihnen erwartet. Was für eine Verschwendung! Warum konnten sie nicht ein wenig Verständnis füreinander aufbringen? Warum konnte keiner von ihnen nachgeben? Wie konnte sie sie dazu bringen, ihr zumindest zuzuhören?
Die Antwort, die sie schließlich fand, ließ sie erschaudern. Aber selbst die Konsequenzen, die diese Entscheidung nach sich ziehen würde, konnten sie nicht abhalten. Wie im Traum sah Ann sich einen der langen Nägel aufheben. Der Schmied hatte ihn hergestellt und die Spitze gut geschärft, solange er noch glühend heiß gewesen war. Ann richtete sich langsam auf, drehte sich zu den Kämpfenden um und ließ sich in ihrem Entschluss von ihrer Wut beflügeln.
Sie sprach leise und mit zusammengebissenen Zähnen. »Werdet ihr wohl aufhören, ihr beide?« Außer dem angestrengten Grunzen bekam sie keine Antwort. Kilkenny stieß den geschwächten Stephan um und zerrte an seinem Arm. »Dann habe ich keine andere Wahl«, sagte Ann. Aber ich rede ja doch nur mit mir selbst, dachte sie erbost und hob die Hand. Ohne lange darüber nachzudenken, stieß sie den Nagel in ihre Handfläche. Der jähe Schmerz ließ sie scharf die Luft einziehen, dennoch zog sie tapfer die Spitze des Nagels über ihre Haut. Blut quoll aus dem Schnitt heraus. Das würde dieser dummen Rangelei ein Ende setzen. Ann ging zu den Männern, die sich mittlerweile auf dem Boden wälzten.
Waren Stephans Wunden schon alle verheilt? Nein. An seiner Schulter schloss sich eben erst eine tiefe Stichwunde. Und er war noch immer blutverschmiert. Wurde es genug Blut sein? Sie bückte sich, ohne auf den Kampf zu achten, und drückte die flache Hand an Stephans nackte Schulter. Seine Entschlossenheit und seine Angst zu versagen durchfluteten sie jäh.
Aber beide Männer drehten sich mit einem gleichzeitigen scharfen Japser zu ihr um.
»Ann!«, schrie Stephan. »Was hast du getan?« Und endlich lösten sich die Männer voneinander.
»Sie hat sich selbst infiziert!«, sagte Kilkenny schockiert, während er und Stephan aufsprangen.
»Und jetzt bin ich ein geschaffener Vampir, Stephan. Wirst du mich nun auch umbringen?« Sie legte die Hand erneut an Stephans Schulter und ließ sie an seiner blutverschmierten Brust hinuntergleiten, während er fassungslos und kreidebleich dastand. »Oder du, Kilkenny?«, fuhr sie den anderen Mann an. »Da ich einen so üblen Kerl wie den Harrier liebe, muss ich doch wohl sicher auch mit dem Tod dafür bestraft werden.«
Beide Männer traten einen Schritt zurück.
Es war Kilkenny, der sich als Erster wieder fing. »Sie ... Sie haben das für ihn getan?«
Anns Wut verflog, und mit ihr verließ sie auch alle Kraft. Sie blickte auf ihre blutige Handfläche herab und dann zu den beiden Männern auf, denen das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. »Ja«, sagte sie lediglich.
Für Stephan war es, als bräche seine ganze Welt zusammen, als er das Blut aus Anns blutiger Handfläche herausströmen sah. Es war nicht nur ihr eigenes Blut, das ihre Hand befleckte, sondern auch das seine. Es gab kein Zurück, keinen Neuanfang. Sie würde ein Vampir sein ... oder sterben.
Er blickte in ihr Gesicht, das gerade noch wutverzerrt gewesen war, aber jetzt unsicher und nahezu erstaunt wirkte. Sie hatte dieses Opfer für ihn gebracht? Konnte sie ihn so sehr lieben?
»Du bist ein Glückspilz, Harrier«, sagte Kilkenny mit rauer Stimme. »Du hast eine Frau, die bereit ist, alles für dich zu opfern und sich sogar der Ewigkeit zu stellen. Sie hat es dir ein bisschen schwieriger gemacht, alle geschaffenen Vampire für Rubius aufzuspüren und zu töten, was?«
»Und du«, versetzte Stephan,
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