Blutrote Sehnsucht
»glaubst immer noch, du könntest gute Männer von schlechten unterscheiden und eine ideale Gesellschaft bilden? Das ist schon ein bisschen komplizierter, als du denkst.«
»Wir Iren waren schon immer Träumer.« Stephan sah den Schmerz, der Kilkenny überkam, als er das Ausmaß seines Scheiterns zu erfassen suchte. Aber dann verschloss sich sein Gesicht, und er zuckte mit den Schultern. »Ich hätte meiner schottischen Erziehung folgen sollen statt meinen Träumen. Die Schotten sind zumindest hartnäckig.«
»Es hat nie eine Armee gegeben, Stephan. Kilkenny hat nur zwölf Vampire geschaffen. Er wollte ein Heimatland und dachte, er könnte die Ausbreitung kontrollieren, ob das nun zutrifft oder nicht. Deshalb war Kilkenny nicht die Bedrohung der Welt, der Vampire und Menschen, wie Rubius es dir weisgemacht hat. Rubius will Kilkennys Tod«, sagte Ann mit einem eindringlichen Blick auf Stephan, »weil sein Traum eine Gefahr für Rubius’ eigene Macht ist. Der Älteste hat dich benutzt.«
»Ein beliebter Zeitvertreib«, murmelte Stephan. Rubius’ Töchter hatten ihn ebenso sehr für ihr eigenes Vergnügen wie für ihre Aufgabe benutzt. Asharti hatte ihn ausgenutzt, um Wissen zu erlangen. Sie hatte auf sein Mitgefühl gesetzt, um ihrer eigenen gerechten Bestrafung zu entgehen. Und Beatrix? Sie hatte ihn vielleicht nicht benutzt, aber auch sie hatte ihn nie verstanden. Nur Ann akzeptierte ihn so, wie er war, und wollte nichts anderes von ihm als ... Liebe. Ann wollte kein ewiges Leben; sie wollte nichts als seine Liebe. Er starrte in die Dunkelheit hinaus. Der Mond erhellte den Bereich mit dem widerlichen roten Brei, der einmal fünf Männer seiner eigenen Spezies gewesen war. Und er hatte sie bedenkenlos exekutiert, weil sie geschaffene Vampire gewesen waren.
Er verdiente Anns Liebe nicht.
Sie schien seine Gedanken zu lesen. »Sie haben versucht, dich zu töten.«
»Die vier, die ich vor einer Woche in diesem Haus getötet habe, haben es nicht versucht. Ich überraschte sie.«
»Rubius hat dich hereingelegt, Mann«, sagte Kilkenny rau. »Wir sind beide von unserem Idealismus fehlgeleitet worden.«
Idealismus ... Was war das? Stephan wusste es nicht mehr. »Mag sein, doch ich war ein bereitwilliges Opfer.«
»Weil du dir nicht verzeihen kannst.« Ann wandte sich zu Kilkenny. »Ihr beide könnt es nicht.«
»Weil ich einen leichten Weg zur Erlösung suchte«, murmelte Stephan. Sich verzeihen? Was er getan hatte, war unverzeihlich. Seine Fehler hatten andere das Leben und die Existenz gekostet.
»Leicht? Wohl kaum«, bemerkte Ann.
»Sie hat recht«, stimmte Kilkenny zu. Offenbar wusste er durch Ann von Rubius’ Töchtern. Stephan war jedoch zu müde und entmutigt, um auch nur zu erröten.
Er zwang sich, sich zu sammeln. »Ich habe die Frau, die dich verwandelt hat, straffrei ausgehen lassen. Sie hat Menschen getötet oder infiziert, um ihre Armeen zu schaffen. Ich trage die Schuld an deinem Leiden, Mann.«
Kilkenny zuckte gleichmütig die Schultern, als kümmerte es ihn nicht, und das machte ihn Stephan sympathisch. Aber Kilkennys Augen trübten sich bei der Erinnerung. Durch Ann hatte Stephan gesehen, was Asharti ihm angetan hatte. Die durch Rubius’ Töchter erlittenen Qualen waren nichts dagegen, da Stephan sich ihnen freiwillig unterworfen hatte. Kilkennys Unrecht war, dass er, in einer verqueren Reaktion auf Ashartis Dominanz und schlechte Behandlung, sich zu abscheulichen Taten hatte hinreißen lassen, um ihr zu gefallen. Das war es, was der Mann sich nicht verzieh.
Stephan sah, wie er sich fasste. »Es ist schwer, alle Folgen unserer Handlungsweise vorauszusehen«, sagte er.
»Und das trifft auf euch beide zu«, erklärte Ann ungeduldig, während sie zwischen die Männer trat und von einem zum anderen blickte. »Hört ihr jetzt auf, euch gegenseitig umbringen zu wollen?«
Ein ausgedehntes Schweigen entstand, bevor Kilkenny nickte. »Nimm mich fest, wenn es das ist, was du willst.«
Stephan schüttelte angewidert den Kopf. Er würde Kilkenny laufen lassen, obwohl er wusste, dass Mirso damit ein für alle Mal für ihn verloren war.
Kilkenny blickte sich um wie ein Schlafwandler, der plötzlich erwachte und sich an einem Ort wiederfand, den er nicht kannte. »Unsere Ziele sind dahin. Was bleibt da noch für jemanden wie dich und mich, Harrier?«
Stephan strich sich das von Blut strähnige Haar aus dem Gesicht. Er war noch nicht so weit, über neue Ziele nachzudenken. Statt zu antworten, sah er
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