Blutrote Sehnsucht
aufzusteigen, und er wusste auch, warum. Das scharfe Ziehen, das durch seine Lenden ging, war eine vertraute Reaktion. Sie war der Fluch des Trainings, das war alles. Er war überrascht, dass er noch auf diese Frau reagierte, nachdem er in dieser Nacht schon so viel Kraft verbraucht hatte.
Nutz die aufsteigende Macht!, befahl er sich. Er würde die junge Frau von hier fortbringen. Sie lebte in diesem prachtvollen, mit einigen alten Ruinen verbundenen Haus direkt außerhalb des Dorfes. Gefährte! Die Macht erhob sich um ihn. Die Höhle erglühte rot, dann schwarz. Gut, dass die Kleine in seinen Armen bewusstlos war! Sie würde nicht mitbekommen, was jetzt geschah. Ein kurzer, stechender Schmerz, und die Höhle verschwand.
Sie erschienen am Rand des Waldes, der zwischen Maitlands Abbey und der Straße nach Wells lag. Stephan wollte Ann hier zurücklassen, wo andere sich um sie kümmern konnten. Und er musste seinen Plan bald in die Tat umsetzen und dann seine Mantras wiederholen, um seinen Körper unter Kontrolle zu bringen. Er wurde immer beharrlicher in seinen Forderungen, die Stephan nicht zu erfüllen wagte.
Aber es erschien ihm jetzt gar nicht mehr so einfach, Miss van Helsing hier liegen zu lassen. Die Morgendämmerung stand kurz bevor, der Himmel erhellte sich bereits. Schon jetzt konnte er Bewegung in den Stallungen und in der Küche hören. Er durfte auf keinen Fall in diesen blutigen, zerfetzten Kleidern gesehen werden. Ratlos blickte er auf die bewusstlose Frau in seinen Armen herab. Auch sie war voller Blut. Man würde Fragen stellen, und das wollte Stephan um jeden Preis vermeiden. Sie durfte auf gar keinen Fall verraten, woher das Blut an ihren Haaren und Kleidern stammte. Er hoffte nur, dass sie sich nicht daran erinnern würde.
Ein Gedanke jagte den anderen. Er könnte ihr das Nachthemd ausziehen und sie einfach liegen lassen. Natürlich wäre ihr Ruf dann ruiniert. Sie mochte in den Augen der Dorfbewohner eine Hexe sein, aber noch hielten sie sie für eine sittsame Hexe. Die Verachtung der Leute würde keine Grenzen kennen, wenn sie nun auch noch liederlich erscheinen würde. Außerdem würde sie blutbesudelt sein. Wenn man sie nackt und blutüberströmt auffände, würde das nicht nur ihren Ruf ruinieren, sondern auch noch die wildesten Verdächtigungen aufkommen lassen.
Doch was bedeutete schon ihr Ruf im größeren Schema seiner Pläne? Dennoch, er konnte nicht ...
Verdammt!
Er legte sie auf den Boden. Sein Körper vermisste augenblicklich ihre Wärme. Stephan war jetzt voll erregt, allein von ihrer Nähe. Er hatte keine Frau mehr angerührt, seit er Mirso verlassen hatte, wo er sich geschworen hatte, das Risiko nicht einzugehen. Und hier stand er nun vor einer nur spärlich bekleideten und wunderschönen jungen Frau. Nein, er musste sich beeilen und es hinter sich bringen, bevor dieses Mädchen ihn über die Grenzen seiner Selbstkontrolle hinaus verlockte. Er nahm ihr den Umhang ab und legte ihn sich selbst um, um seine zerrissene, blutige Kleidung zu verbergen. Dann lief er den Hang zum hinteren Teil des Hauses hinunter, wo sich die Küche befand.
Die Frau, die herauskam, um einen Eimer Wasser auszuschütten, war nicht mehr jung. Ihr Gesicht trug die Spuren von jahrelanger harter Arbeit. Das graue Haar hatte sie unter einer schlichten Haube verborgen. Gegen die morgendliche Kälte hatte sie sich einen gestrickten Schal um die Schultern geschlungen.
»Guten Morgen«, sagte Stephan, als er hinter einem der Außengebäude hervortrat. Es musste der Gemüsekeller sein, dem Geruch nach Kartoffeln, Karotten und Erde nach zu urteilen.
Die Frau erschrak. Dann musterte sie ihn von Kopf bis Fuß. »Wenn du was zu essen willst, um zehn gibt’s Frühstücksreste.«
Stephan fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Wie heruntergekommen er wirken musste in seinen zerlumpten Hosen und dem geliehenen Umhang, der ihm bei seiner Körpergröße gerade mal bis zu den Knien reichte! Deshalb verschwendete er keine Zeit, sondern rief seinen Gefährten zu Hilfe, um genügend Suggestivkraft in seine Stimme zu legen.
»Ich bin niemand, um den Sie sich sorgen müssen«, sagte er sanft. »Wo ist Miss van Helsings Zimmer?« Er beobachtete, wie verschwommen der Blick der Frau wurde, als wäre sie in Gedanken ganz woanders.
»Sie hat den ganzen dritten Stock für sich. Aber sie schläft in einem der alten Kinderzimmer«, murmelte sie.
Die Kinderzimmer? Komisch. »Ein Schatten hat Sie heute Morgen erschreckt, mehr
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