Blutrote Sehnsucht
wie ein Tier, würde es ihm unmöglich machen zu warten, bis Kilkenny ihn hier problemlos finden konnte.
Er hatte unüberlegt gehandelt, von Anfang an.
Wie sich dies noch korrigieren ließ, würde er sich später überlegen. Zunächst einmal musste er sich jetzt selbst säubern. Er streifte die zerlumpten Kleider ab und begann, sich gründlich zu waschen. Doch er konnte Miss van Helsing nicht aus seinem Kopf verbannen. Unaufhörlich musste er an das denken, was sie für ihn getan hatte, oder sich fragen, was ihre tiefe, nicht enden wollende Bewusstlosigkeit verursacht haben könnte.
Stephan musste es wissen. Er wollte nicht der Grund für noch mehr Kummer sein. Schon gar nicht, nachdem diese Frau so selbstlos versucht hatte, ihm zu helfen.
Er legte seine zerrissenen Kleider zu ihren in den Umhang. In der kommenden Nacht würde er sie irgendwo im Wald vergraben. Aber zunächst einmal brauchte er Ruhe, denn plötzlich war er so erschöpft, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Die ersten Sonnenstrahlen fielen schon auf die geschlossenen Fensterläden. Er taumelte ins Bett. Ruhe ... er musste sich eine Weile ausruhen.
Aber das Mädchen zu berühren, sie zu entkleiden, seine Hände über ihren Körper zu bewegen ... Stephan wälzte sich im Bett herum und versuchte zu vergessen. Doch sein Körper erinnerte sich nur allzu gut. Sein Glied begann wieder zu pochen. Dafür konnte er sich bei Rubius’ Töchtern bedanken. Bei ihnen und ihrer Ausbildung ...
Kloster Mirso,
Dezember 1819
Es war heiß in dem kleinen Raum in den Gewölben unter dem Kloster. Ein Feuer brannte in dem riesigen Kamin. Es gab drei gut gepolsterte, moderne Chaiselonguen in dem Raum, die so gar nicht zu der breiten Bank aus grob behauenem Stein passten, die vor dem mächtigen Kamin stand. Ein großer, mit kunstvollen Schnitzereien verzierter Schrank im Tudorstil bedeckte die Wand neben der Tür. Zu ihrer Linken befand sich ein langer Tisch mit Treibhausfrüchten, Süßigkeiten, Gebäck und ein paar Kristallkaraffen mit Rotwein und Gläsern. Die Wände und der Fußboden bestanden aus Stein, der teilweise von mehreren Wandbehängen und zwei dicken Orientteppichen verdeckt wurde, die vor und hinter der steinernen Bank lagen. Oberflächlich betrachtet, war das Zimmer bequem, doch wer es näher kannte, wusste, wie dornenreich und hart das Leben darin war.
Hinter Stephan schloss eine der Schwestern, Estancia vermutlich, die schwere, eisenbeschlagene Holztür mit den mächtigen Riegeln, die schwarz vom Alter waren.
Deirdre straffte die Schultern und klatschte einmal in die Hände. »Gib acht, Büßer«, sagte sie in einem scharfen Ton, der Verärgerung in Stephan weckte. Der Impuls schien sich in seinen Augen gezeigt zu haben, denn Deirdre kam zu ihm und legte ihm eine Hand ans Kinn, die ihn buchstäblich erstarren ließ. Die Finger glitten tiefer und legten sich um seinen Hals. Er wusste, dass Deirdre ihm das Genick brechen oder die Zunge herausreißen konnte, ohne sich auch nur anstrengen zu müssen. So alt und stark war sie. Natürlich wäre beides nichts, was er nicht heilen könnte, solange sie ihn nicht wirklich und wahrhaftig köpfte. Aber es gab sogar noch schlimmere Möglichkeiten. Kalte Angst erfasste ihn.
»Büßer«, flüsterte sie, so nahe jetzt, dass er ihren Atem spüren konnte, als sie seinen Hals streichelte. »Seien wir doch ganz offen. Du hast deinen Weg gewählt. Und dieser Weg geht über uns. Wir können dich für immer aus Mirso verbannen, oder wir können dich hierbehalten und mit dir daran arbeiten, deine Geisteshaltung zu verbessern. Aber du hast hier nichts zu sagen. Dein Schicksal liegt in unserer Hand.«
Das war es, was er am meisten fürchtete. Die beiden anderen Frauen traten zu Deirdre und legten ihm in stummem Einvernehmen mit ihrer Schwester die Hände auf die Schultern. Stephan merkte, wie er schwitzte in der Hitze des geschlossenen Raumes.
»Was ist aus dem willigen Schüler geworden, den wir in den Gemächern unseres Vaters sahen?«, flüsterte Estancia, während sie sein Haar und sein Ohr berührte. »Du hast dich unseren Anweisungen zu fügen.«
Stephan biss die Zähne zusammen, um ein Erschaudern zu unterdrücken. Er kannte seine Aufgabe hier. Er wusste, was er wollte. Ihm war klar, dass er verdiente, was auch immer ihn erwarten mochte, egal, wie hart es war. Für Stolz oder Ungehorsam war kein Platz auf Mirso. Sie hatten recht. »Zeigt mir den rechten Weg.«
»Ist das ein Befehl?«, fragte Freya
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