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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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Keine Menschen, sondern eiserne Dämonen …«
    Holló verstummte.
    Lázlo hielt es nicht mehr aus – auf eine weitere Geschichtsstunde konnte er gerne verzichten. »Sie kannten meinen Vater?«, krächzte er.
    Die Silbermaske blieb starr. »Dein Vater, Lázlo, war ein großer Mann. Ein guter Freund von mir. Ein Mitstreiter im Geiste. Er und ich, wir haben die Schwarze Armee erschaffen.«
    »Aber …« Lázlo sprang auf. Der Stuhl kippte nach hinten und knallte auf den Betonboden. Er merkte es nicht. Merkte nicht, wie seine Fäuste sich ballten. »Das ist doch Schwachsinn!« Keuchend stand er vor Holló. »Mein Vater war kein rechtsradikales Arschloch. Er hat nie gegen Zigeuner und Juden gewettert. Das ist …«
    »… die Wahrheit, Junge.« Auch der Rabe stand auf, streckte den Arm und zeigte mit behandschuhten Fingern auf Lázlo. »Und wenn du genau in dich hineinhorchst, weißt du das auch. Erinnere dich an die Liebe deines Vaters, an seine Kraft. Erinnere dich an den Tag vor fünf Jahren, als dein Vater kämpfen wollte wie ein echter Mann.«
    »Nein … ich …« Lázlo taumelte. »Doch nicht so!«, brachte er schließlich heraus.
    Holló kam näher, packte ihn an den Schultern. Gefährlich nahe war die Maske aus Silber und Eisen, als er Lázlo ins Ohr flüsterte. »Nur so! Du darfst das Gerede einiger meiner Söhne nicht wichtig nehmen, Lázlo. Manche sind nicht so intelligent wie du. Sie können nur eine Welt begreifen, in der es Schwarz und Weiß gibt. Und sonst nichts. Du weißt natürlich um das Grau. Du bist der Sohn deines Vaters. Schließ dich uns an, Lázlo. Werde zu einem Soldaten der
Fekete Sereg
und ich werde dich in alles einweihen, was dein Vater und ich über Jahre geplant haben. Ich lasse dich teilhaben an der Ausführung.«
    »Nein.« Lázlo taumelte einen Schritt zurück. »Das ist … alles nicht wahr!«
    »Enttäusche mich nicht. Ich bitte dich nur um drei Tage, Lázlo. Bleib drei Tage hier bei mir, hier im Zentrum von Budapest, im Herzen der Burg. Drei Tage, Lázlo. Beobachte mich, beobachte uns. Dann entscheide dich.«
    Lázlo war übel. Sein Magen krampfte sich zusammen, sein Kopf schien zu platzen.
    »Drei Tage, mein Sohn. Wenn du mir diese Chance nicht gibst, wirst du dich dein Leben lang dafür schämen. Und dich fragen, wer dein Vater war.«
    Ein Schwindel erfasste ihn. Die Betonmischmaschine – das war auf einmal nicht mehr nur sein Herz, sondern sein ganzer Körper, sein Kopf, alles, alles drehte sich, und im Zentrum davon schmeichelte die Stimme hinter der silbernen Maske: »Drei Tage, Soldat!«
    Lázlo atmete tief ein. Etwas Besseres als den Tod findest du überall. Das hier hatte er aber nun wirklich nicht erwartet. »Gut«, sagte er leise.
    Die Tränen in seinen Augen bemerkte er nicht.

5
    Mittwoch, 3. August.
    3.12 Uhr, Burgberg, Tunnelanlage
    Wie lange war er schon hier? Zwei Tage? Drei? Er wusste es nicht. Sein Handy war weg. Sein Gespür für die Zeit anscheinend auch. Wenn das Licht in seinem Zimmer ausging, schlief er, wenn es hell wurde, wachte er auf. Drei Tage, oder? Er wusste es nicht.
    Nachdem er auf Hollós Vorschlag eingegangen war, führte ihn Janosch in ein Zimmer, das eher eine Zelle war: kahle Wände und ein Bett. Das Klo war einen Gang weiter, schien noch aus dem Zweiten Weltkrieg zu stammen und stank, als wenn es seit dieser Zeit nicht mehr geputzt worden wäre. Aber immerhin funktionierte es noch. Janosch hatte ihm die Küche gezeigt. Hatte ihm ein Bier eingeschenkt oder zwei. Vom großen Holló, dem Raben, geschwärmt. Bald war Lázlo müde geworden. Warum war er bloß so müde? Manchmal ging das Licht in seinem Zimmer aus, dann schlief er. Flammte die Glühbirne wieder auf, wurde er wach. Manchmal öffnete er die Tür und starrte auf leere Gänge und weißen Beton. Dann wieder strömten Dutzende Jungen vorbei, lachten und redeten von der Schwarzen Armee, von dem Glück, das Lázlo hatte. Dann war er wieder müde. Schlief. Wachte auf. Irgendwann hatte Janosch ihn gefragt, ob seine Mutter sich denn keine Sorgen machen würde. »Die«, hatte Lázlo geantwortet, »merkt wahrscheinlich gar nicht, dass ich weg bin.« Janosch hatte ein bisschen gemurrt und ihm schließlich ein Handy in die Hand gedrückt. »Ruf an. Sag, dass du ein paar Tage bei Freunden bist. Stimmt ja auch.«
    Lázlo hatte es getan. Warum auch nicht? Er fühlte sich nicht eingesperrt oder so. Nicht als Vampir in der Gruft. Eher wie ein Überlebender im Bunker, und das war er ja schließlich

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