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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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über die Donau und trägt auf ihren Torspitzen den Turul, den mythischen Sagenvogel Ungarns.«
    Lena blinzelte gegen die Sonne zur Brücke hinauf. Sie war wirklich schön und irgendwie … groß. Sie grinste. Über die Donau krochen Ausflugsschiffe mit dicht gedrängten Touristen. Vom Wasser kroch ein Hauch von Kühle zu ihnen herauf, nicht viel, aber immerhin. Sie spürte Schweißtropfen in ihrem Nacken, die Sonne auf ihrer Haut und Lázlo, der neben ihr auf dem kahlen Stein hockte. »Ich hab Scheiße gebaut«, sagte sie und erzählte von ihrem abgebrochenen Tauchgang, von ihrer Angst.
    Lázlo schaute sie nur an und hörte zu. Manche Wörter wie Lungenautomat oder Strömungsanalyse schienen im Vokabular von Goethe & Co noch nicht enthalten gewesen zu sein und mussten erklärt werden. Aber nach einer Weile kümmerte Lena sich nicht mehr darum, sondern redete einfach weiter. Sie hatte keine Ahnung, warum sie ausgerechnet diesem jungen Ungarn ihr Herz ausschüttete, sie kannte ihn kaum, aber er hörte wenigstens zu. Sie hatte ja niemanden hier außer ihrem Vater, und dem konnte sie nun wirklich nicht von ihrer Panikattacke beim Tauchen erzählen, der würde sie glatt nach Hause schicken, und mit Mama oder einer Freundin zu telefonieren, brachte es auch nicht wirklich und, meine Güte, ihr fehlte einfach jemand hier in dieser Stadt mit den vielen Autos und der fremden Sprache.
    Lena redete.
    Lázlo hörte zu.
    Beiden gefiel es, beide zogen ihren Nutzen daraus. Lázlo fragte nur dezent nach den Forschungsergebnissen, die ihr Vater bis jetzt erzielt hatte. Lázlo hörte zu. Merkte sich den Namen von Hauptkommissar Frenyczek, den Lena beiläufig fallen ließ. Er lächelte – diese Information würde Holló nützlich finden. Lázlo unterdrückte ein Gähnen und hörte zu. Schaute hinab auf die Donau und beobachtete das Glitzern des Sonnenlichts auf den Wellen. Wie oft hatten sein Vater und er genau hier gesessen? Er hatte Lázlo von der Freiheitsbrücke erzählt, von ihrem alten Namen »Franz-Josefs-Brücke« und wie man ihn weggeschmissen hatte nach dem Zweiten Weltkrieg, um einen neuen und schöneren zu wählen. Freiheit. Lázlo erinnerte sich an seinen Vater, dachte aber auch an seine Mutter. Er musste mit ihr reden. Er musste so viele Dinge ändern.
    »Lázlo?«
    Verdammt. Müde vor sich hin träumend, hatte er gar nicht mitbekommen, dass der Redefluss des Mädchens endlich vertrocknet war.
    »Ja«, sagte er lahm. »Ich denke nach.«
    »Oh.«
    »Wir haben ein Sprichwort bei uns: Wer für den Galgen bestimmt ist, wird nicht in der Donau ertrinken.«
    »Danke, das klingt aufmunternd.«
    »Ich meine …« Lázlo schaute sie an. Strich vorsichtig über ihr kurzes, blondes Haar. »Du kannst dein Schicksal nicht aufhalten. Was geschehen soll, das wird geschehen.«
    »Tröstlich.« Sie packte sein Handgelenk und schob ihn sanft, aber bestimmt weg. »Und sehr fatalistisch, wenn du mich fragst.«
    Lázlo lächelte traurig. »Ich frage dich etwas anderes: Wie gefällt dir die berühmte Budaer Burg eigentlich?«
    Lena zuckte mit den Schultern. »Wenn ich ehrlich bin: Ich war noch gar nicht da. Ich kenne von Budapest nur die Váci utca. Und das Kávéház Gerbeaud.«
    »Dann, holdes Fräulein«, sagte Lázlo, stand auf und reichte ihr die Hand, »sollten wir diesen bestürzenden Zustand alsogleich ändern.«
    16.11 Uhr, Polizeipräsidium
    »So, Chef, wie gewünscht. Hier ist alles, was ich über die Fekete Sereg finden konnte.«
    Der Kommissar lächelte böse. »Doch so viel?«
    »Stimmt schon, das passt fast auf eine Briefmarke. Aber mehr gibt’s nicht.«
    Frenyczek bedankte sich und überflog das magere Material. Viel war wirklich nicht durchgesickert – entweder war das Ganze so klein, dass es noch keine Spuren im Polizeiapparat hinterlassen hatte, oder die Mitglieder der Fekete Sereg, der Schwarzen Armee, hielten sich mehr als bedeckt. Ein Geheimbund? Lächerlich. Der einzige, wenn auch nicht vielversprechende Hinweis stammte von einem Arzt. Einem Psychodoktor in irgendeiner Klinik. Der hatte sich letztes Jahr an die Polizei gewandt, als einer seiner Patienten durchdrehte. Natürlich gab es keine großen Nachforschungen. Doktor Anday. Der Kommissar schlürfte einen weiteren Kaffee leer und rieb sich die Augen. Das lief alles falsch. Sie hätten schon längst mehr haben müssen. Etwas Großes, etwas Dunkles passierte in seiner Stadt, und das gefiel ihm überhaupt nicht. Doktor Anday. Mit dem sollte er sich vielleicht mal

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