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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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versteckt.
    Schließlich setzte Frenyczek neu an: »Sagt Ihnen der Begriff Fekete Sereg etwas?«
    Drei Köpfe wurden geschüttelt, einer nickte: »Natürlich«, sagte Professor Radelodz. »Das war eine Söldnerarmee von Matthias Corvinus im 15. Jahrhundert.«
    Der Kommissar schnaubte. »Einen aktuelleren Bezug können Sie nicht herstellen?«
    Radelodz zuckte die Schultern. »Nem.«
    »Gut. Dann erwarte ich in drei Tagen Ergebnisse.«
    »Vier«, sagte der Professor.
    »Ich denke«, meinte Frenyczek leise, »dass Sie sich ein wenig beeilen werden. Mir zuliebe.«
    Der Polizist sah mit einem Mal aus wie ein Haifisch mit umgebundener Krawatte. Radelodz schluckte. »Wir werden uns Mühe geben«, sagte er.
    12.33 Uhr, Große Markthalle, Vámház körút
    »Und?«
    »Lecker.« Lena kaute auf einem Lángos herum – an ungarischen Spezialitäten kam sie wohl nicht vorbei. Dieses Ding war eine Art Fladenbrot, das dank seiner frittierten Schicht eher wie ein Wiener Schnitzel aussah. In der Mitte drängten sich geschmorte Gemüsestücke zusammen, als hätten sie vor Lenas Zähnen Angst. »Doch, schmeckt«, konstatierte sie und zermalmte erbarmungslos Zwiebeln, Paprika und Tomaten. Dabei schaute sie Lázlo zu, wie er, ungleich eleganter als sie, seine Portion verdrückte. Gestern war sie richtig glücklich gewesen, ihn zu sehen. Und auch heute hatte sie sich gefreut, als er anrief. Wenn sie ehrlich war, hatte sie sogar darauf gehofft.
    »Du bist ein komischer Kauz«, murmelte sie und tupfte sich die Mundwinkel mit der Papierserviette ab. Hoffentlich gab ihr das einen Hauch Damenhaftigkeit zurück.
    »Wie meinen, Gnädigste?«
    »Bitte komm zurück ins 21. Jahrhundert. Wenn du einen Satz beenden willst, dann sag einfach meinen Namen Ich heiße Lena.«
    Lázlo lächelte. »Wohlan. Wie meinst du, Lena?«
    Sie meinte … was eigentlich? Wie er ihren Namen gesagt hatte, mit einer irgendwie lächelnden Stimme, angehaucht mit seinem exotischen Dialekt – das brachte sie ganz durcheinander.
    Lázlo lächelte sie an. Auch das irritierte sie, weil sie dann auf seine Lippen schauen musste, die schmal waren und weich. Und dann diese Aura von Schwermut und Traurigkeit, die ihn umgab – war das typisch ungarisch?
    Kein Wunder, dass sie plötzlich nicht mehr weiterwusste.
    »Was meinst du mit der komischen Eule?«
    »Kauz, ja, ach so.« Lena wackelte in ihren Flipflops mit den Zehen und schaute in die Markthalle * hinunter. Sie saßen auf der Galerie im ersten Stock, hatten das große Gebäude gut im Blick und genossen das Gewimmel unter sich. Wie Ameisen wuselten Budapester und Touristen von Stand zu Stand, hoben witternd ihre Fühler, feilschten um ungarische Trachten oder Lederhandtaschen. Die Gerüche mischten sich in der Sommerhitze zu einer anstrengenden, aber spannenden Symphonie für die Nase: Gewürze, Blumen, Obst, Fisch und natürlich gebratenes, gekochtes und frittiertes Fleisch. Das Ganze unter einem Glasdach mit Stahlpfeilern.
    »Ich erwarte deine Antwort«, sagte Lázlo schließlich.
    Lena riss sich zusammen und schaute ihm in die Augen. Die waren grau mit grünen Inseln. Und mit einem großen Klacks Traurigkeit. »Du bist merkwürdig«, erklärte sie endlich. »Du tauchst plötzlich auf und holst meinen geklauten Rucksack zurück. Redest wie ein 200 Jahre alter Graf und siehst auch so müde aus.«
    »Ich hatte ein paar anstrengende Tage.«
    »Manchmal bist du total weg. Irgendwo in deiner Welt oder …«
    »Was?«
    »Völlig zugedröhnt.«
    Fragend schaute er sie an.
    »Als hättest du Drogen geschluckt«, erklärte sie.
    Er lächelte nur matt.
    »Und dann plötzlich«, machte sie weiter, »bist du wieder total nett.«
    »Nur nett?«
    Lena seufzte. »Du bist mir ein Rätsel, Lázlo.«
    Sie schaute ihn immer noch an und spürte, wie eine sanfte Gänsehaut über ihre Arme kroch. »Ach, egal. Was steht als Nächstes auf dem Wir-lernen-Budapest-kennen-Programm?«
    Lázlo stand auf und winkte sie zu sich. »Du warst, wenn ich dies richtig erinnere, noch nicht oben, oder?«
    »Wo ›oben‹?«
    »Auf der Burg.«
    12.58 Uhr, im Äther der Telefone
    »Doktor Anday? Schön, dass ich Sie endlich erreiche, mein Name ist Frenyczek, Kommissar bei der Kriminalpolizei.«
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Sie haben vor einigen Monaten eine Anzeige gegen unbekannt erstattet. In diesem Zusammenhang fiel der Begriff Fekete Sereg, die Schwarze Armee.«
    Stille in der Leitung.
    »Hallo? Herr Doktor? Worum ging es dabei?«
    »Um eine Misshandlung.

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