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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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hier. »Vandalismus im Pariser Hof«, las der Kommissar vom Bildschirm ab. Schon heute Morgen war er über die Information gestolpert und hoffte jetzt, dass neue Erkenntnisse vorlagen.
    Er wurde enttäuscht. Der Wachmann lag noch im Krankenhaus, komatös und kaum ansprechbar. Drei junge Burschen, hatte er nur gestammelt, im Halbdunkel nicht zu erkennen. Brutale Schläger. Schmierereien an den Wänden, das Übliche eben. Rechtsradikale Parolen, wie sie von jedem dritten Budapester zu hören waren; Nazisprüche, wie sie die Jobbik * drosch. Verfluchte Jobbik, die Bewegung für ein besseres Ungarn. Ha, selten so gelacht. Affige Typen, die nach einem neuen Großungarn lechzten und auf das »jüdische Kapital« schimpften. Und mittlerweile schon längst ins Parlament eingezogen waren.
    »Verflucht.«
    Nichts Ungewöhnliches also. Eigentlich. Aber was den Kommissar sofort alarmiert hatte, schon beim ersten Kaffee des Tages, als er noch halb in Schlaf und Träume verstrickt die Notizen der Nacht hinauf- und heruntergescrollt war – das war dieser Name:
Fekete Sereg.
Die Schwarze Armee? Er glaubte dunkel, sich an irgendetwas zu erinnern. Fekete Sereg. F. S. Konnte das sein? Frenyczek holte den Bekennerbrief zum Gellért-Bad auf den Bildschirm. Starrte die letzten Buchstaben an: »Fürchtet ein atmendes Ungarn. F. S.«
    Eine Gruppe durchgeknallter Jugendlicher, die über Leichen ging? Denn zum Tod des Wachmannes hatte nicht sehr viel gefehlt. Fekete Sereg. Wo zum Teufel hatte er diesen Namen schon einmal gehört?
    Der Kommissar starrte aus dem Fenster und griff schließlich nach dem Telefon. Langsam tippte er eine Nummer ein.
    14.51 Uhr, Gellértberg, Höhlensystem Molnár János
    »Alles in Ordnung, Lena?« Mit einer tiefen Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen blickte Emil Meinrad sie an.
    »Ja! Nein! Verdammt.« Lena schaffte es einfach nicht, ihren Arm aus dem engen Neoprenanzug zu schälen, und fummelte immer wütender daran herum. »Ich … ich hab die Nerven verloren.«
    »Schon gut, schon gut, ich helfe dir.« Ihr Vater packte den Ärmel und zog. Mit einem Schnalzen löste sich der Anzug von ihrer Haut. »Das war meine Schuld«, sagte Emil Meinrad leise. Ich hätte dich nicht überreden sollen. Das war einfach zu früh. Schließlich wärst du fast …«
    »Gestorben?« Lena sah ihn an, traurig, ängstlich und erleichtert zugleich. Aber auch wütend. »Abgesoffen? Krepiert? Hätte ins Gras gebissen oder, in diesem Fall, in Algen?« O ja, sie war wütend. Denn tatsächlich war es seine Schuld. Er hätte halt noch warten sollen. Ach, verdammt.
    »Es tut mir leid, okay?«, sagte ihr Vater und zog schon am anderen Ärmel.
    Lena nickte. »Geht schon, danke.« Sie stand auf, schnappte sich ein Handtuch und verzog sich. Trocknete sich ab, schlüpfte in ihre Klamotten und stand ein paar Minuten später in der gnadenlosen Augustsonne.
    Scheiße. Sie hatte es verbockt. Sie selbst und kein anderer. Verflucht, verdammt, ver…
    »Hallo, Lena.«
    Sie schaute auf. Blickte in das hohlwangige, bleiche Gesicht Lázlos. »Was machst du denn hier?«, fragte sie.
    »Ich … verspürte das dringende Bedürfnis, dich wiederzusehen.«
    Lena lächelte schwach. »Schön gesagt.« Dann sprudelten ihre Tränen über wie kochendes Wasser aus einem zu vollen Topf. Sie weinte heftig, aber lautlos. Lázlo stand da, erschöpft, übernächtigt und mit Heavy-Metal-Kopfschmerzen im Schädel. Es dauerte lange, bis er den Arm hob und ganz langsam, ganz sachte Lenas Schulter berührte.
    »Komm«, sagte er leise. »Ich geleite dich zu einem Platz, der deine Seele beruhigt.«
    Weit führte Lázlo sie nicht. Vom Fuße des Gellértberges über die vierspurige Straße, die direkt an der Donau entlangführte. Über eine Ampel bis zur Freiheitsbrücke und noch ein Stück flussabwärts und schließlich schmutzige Betontreppen hinab, bis sie am Wasser standen.
    »Wunderschöne blaue Donau«, schniefte Lena, als sie über den Fluss auf die Pester Stadtseite blickten. »Die ist gar nicht blau. Sondern kackbraun.«
    Lázlo lachte leise. »Ja. Blau ist sie nie in Budapest. Das ist eine Lüge der Reisenden. Am schönsten ist die Donau nachts, wenn sie schwarz und dunkel fließt, das Licht der Stadt sich in ihr spiegelt.«
    »Und warum«, fragte Lena, »hast du mich dann hierhergebracht?«
    »Wegen der Brücke.« Lázlo nickte mit dem Kinn hinauf. »Die Freiheitsbrücke, sie war mir stets die liebste. 331 Meter ist sie lang. Sie schwingt sich wie eine Tänzerin im Spagat

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