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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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würde, aber … Nun lassen Sie mich doch ausreden, Polizist! Deshalb rufe ich ja an. Ich habe es nur zufällig mitbekommen, er wurde die halbe Nacht lang operiert. – Ja, ja. Er ist wieder hier. – Was? – Nun, abgestochen wie ein Schwein …«
    11.35 Uhr, Freiheitsbrücke
    Lázlo stand auf der Brücke und starrte in das braune Flusswasser. Hinter ihm lärmten die Autos, und eine Straßenbahn rumpelte über die Brücke, fuhr von Pest nach Buda. Er bekam nicht viel davon mit. Auch den hellblauen Himmel bemerkte er kaum, der sich frisch geputzt über ihm wölbte. Seine Gedanken waren wie Dominosteine – der eine führte zum nächsten und alle fielen klappernd nacheinander um. Er dachte an Frosch, er dachte an Holló, an seinen Vater, an seine Mutter, an Lena und an Janosch. Die Gedanken fielen, einer nach dem anderen. Konnte es sein, dass Frosch die Wahrheit gesagt hatte? War der Rabe nur ein Sekten-Guru, ein Menschenfänger, der mit ihnen spielte und sie benutzte? Nein. Unmöglich. Denn es durfte nicht möglich sein. Gott, wie er sich danach sehnte, mit jemandem zu reden! Zum ersten Mal seit Langem wünschte er sich, bei seiner Mutter zu sein. Sie um Rat zu bitten. Um Beistand. Wohin, fragte er sich, bist du gerollt, Billardkugel Lázlo? In welches dunkle Loch bist du versenkt worden? Er schüttelte sich, aber die Müdigkeit hockte in ihm wie eine Krankheit. Wie viele Stunden hatte er heute geschlafen? Eine? Oder doch zwei? Froschs Körper im Licht der Taschenlampe, zappelnd auf dem Bajonett des Denkmals – dieses Bild ließ keinen Schlaf zu. Und jetzt wollte Janosch so tun, als wäre nichts passiert. Lázlo musste einfach mit jemandem reden. Aber mit wem, verdammt? Seine Mutter, ha, das konnte er knicken. Sie hatten seit fünf Jahren nicht mehr wirklich miteinander gesprochen. Dieser Psychologe fiel ihm ein, Doktor Anday. Aber das ging auch nicht. Irgendeiner von der Fekete Sereg? Guter Witz. Blieb nur noch ein Mensch. Ein einziger.
    Blieb nur noch Lena.
    11.46 Uhr, am Fuße des Gellértbergs
    »Heute noch?«
    »Ja, mein Schatz. Du kannst mitkommen oder hier bleiben, ganz wie du willst. In zwei Tagen bin ich ja wieder zurück.«
    »Ich verstehe das immer noch nicht.« Lena starrte ihren Vater ratlos an.
    »Ein Notfall im Museum«, erklärte Emil Meinrad hektisch. »Die Höhlenausstellung wird in zwei Wochen eröffnet, und jetzt liegt Paul mit einer Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus und die anderen finden sich nicht zurecht.«
    Paul war Papas Stellvertreter im Wiener Naturkundemuseum. Meinrad hatte die große Ausstellung entworfen und geplant, Paul organisierte den Rest. Und hatte jetzt offenbar den falschen Pilz gesammelt und gegessen.
    »Geht’s ihm denn gut?«, fragte Lena.
    Ihr Vater zuckte nur mit den Achseln. »Ich hoffe es. Jedenfalls muss ich mich um die Sache kümmern – von den anderen hat ja doch keiner einen blassen Schimmer.«
    »Okay«, sagte Lena.
    »Und, kommst du mit?«
    Einen Augenblick lang zögerte sie. Die Verlockung war groß: einfach zurück nach Wien, nach Hause, sich den Rest der Sommerferien von ihrer Mutter verhätscheln lassen. Und ihre Angst zurücklassen in Budapest. Ihre Panik. Aber da gab es noch etwas anderes, was sie nicht zurücklassen wollte. Um keinen Preis.
    Lázlo.
    »Ich bleibe hier«, sagte Lena entschlossen.
    Meinrad schaute sie zweifelnd an. »Sicher?«
    »Ja, Papa. Ich komm schon zurecht.«
    Er umarmte seine Tochter, raffte seine Sachen zusammen und wandte sich zum Schluss an Sándor. »Du passt doch auf sie auf, oder?«
    »Ich verspreche es«, sagte Palotás und lächelte.
    Meinrad schaute ihn an, musterte dieses Grinsen und fand es plötzlich merkwürdig künstlich, fremd und bösartig. Ein Blinzeln später war dieser Eindruck schon wieder verschwunden. Emil Meinrad schüttelte den Kopf, stieg in das wartende Taxi, um den Railjet nach Wien zu erwischen, und ließ Budapest hinter sich.
    11.53 Uhr, Szent-Kodály-Krankenhaus
    »Kann er mich hören?«
    Doktor Anday zuckte mit den Achseln. »Fragen Sie ihn.«
    »Junge, hörst du mich?«
    Die Augenlider flatterten und klappten nach oben. Ängstliche Blicke in jede Ecke des Raums, in jedes Gesicht.
    »Hallo«, sagte Hauptkommissar Frenyczek erleichtert. »Ich bin Polizist, und du musst mir jetzt helfen. Verstehst du?«
    Frosch nickte stöhnend.
    »Also, du gehörst zur Fekete Sereg, nicht wahr?«
    Angst blitzte in den Augen auf, Qual und Erschöpfung. Dann wieder ein Nicken.
    »Du machst das gut«, sagte Frenyczek.

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