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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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überlegte Lázlo, aber in der Nacht zeigte er sein wahres Gesicht. Es war ein Friedhof. Ein Friedhof der Statuen. Vorsichtig bewegte sich Lázlo weiter, bis er die Mitte des Gartens erreicht hatte, ein rundes Stück Rasen, in das man einen Stern aus roten Blumen gepflanzt hatte. Er ließ die Taschenlampe aufblitzen. Aber nur die starren Gesichter aus Bronze und Stein schauten ihn an. Er war allein. War der Zettel nur ein Witz gewesen? Wollte man ihn verarschen?
    »Hallo«, rief Lázlo, so laut er sich traute – sehr laut war das nicht. Er warf den Strahl seiner Lampe hin und her, drehte sich um die Achse und kniff die Augen zusammen. Nichts.
    Plötzlich bewegte sich eine der Skulpturen, wurde lebendig und machte einen Schritt vorwärts.
    »Hier«, sagte der Sowjetsoldat vom Befreiungsdenkmal.
    »Frosch«, keuchte Lázlo auf, »hast du mich erschreckt!«
    »Wirklich?« Frosch löste sich weiter aus dem Schatten der Figur. »Ich musste erst sicher sein, dass du alleine bist.« Er machte ein paar zögernde Schritte auf Lázlo zu, winkte ihm aber dann. »Komm mit, Lázlo.«
    »Was zum Teufel …« Aber Frosch drehte sich schon um und ging los – Lázlo blieb nichts übrig, als ihm zu folgen. Schnell holte er ihn ein. »Also, was liegt an, Bruder? Was soll ich …«
    »Es gibt keinen Spezialauftrag«, sagte Frosch leise und schaute sich wachsam um.
    »Und was soll ich dann hier?«, fragte Lázlo genervt.
    »Endlich aufwachen!«
    Lázlo packte ihn und stach mit dem Licht seiner Taschenlampe auf Froschs Gesicht ein. Der Junge war kleiner und jünger als er, aber seine Augen blickten zornig und alt. »Was ist los, Frosch?«
    Der lachte. Leise, kichernd, fast hysterisch. »Was los ist, Lázlo? Sag du es mir. Was ist los mit dir?«
    »Wie meinst du das?«
    Frosch riss sich los. »Mach das Licht aus«, sagte er. »Lass uns in Bewegung bleiben.«
    Nebeneinander schritten sie durch die Dunkelheit, huschten über den Friedhof der Skulpturen. »Was hast du«, fragte Frosch endlich, »über uns gedacht, als du das erste Mal in den Tunneln warst?«
    Lázlo zögerte. »Ich weiß nicht mehr.«
    Wieder kicherte Frosch. »O doch. Du hast gedacht: ein Haufen durchgeknallter Nazis. Rechtsextreme Schwachköpfe. Faschistische Idioten. Stimmt’s?«
    Lázlo antwortete nicht.
    »Und weißt du was?«, machte Frosch weiter, »du hast absolut recht damit gehabt.«
    »Was soll das?«, brauste Lázlo erneut auf, »die Fekete Sereg ist keine rechtsradikale …«
    »O doch, Lázlo. Sie wollen töten, kapierst du nicht? Und sie werden töten.«
    »Aber Holló …«
    »Der Rabe ist der Schlimmste von ihnen. Er wird seinen Plan umsetzen und alles, was sich ihm in den Weg stellt, vernichten.«
    »Mann, Frosch, du schaust zu viele Scheißfilme, ich …«
    »Kapier endlich, Mann! Wir sitzen im Bunker und bauen Bomben. Glaubst du nicht, dass wir sie einsetzen? Wir schmieren Parolen an die Wände und prügeln Leute zu Tode. Wir sind rechte Arschlöcher.«
    Wieder packte Lázlo zu, grub seine Finger in die Schultern des anderen und schüttelte ihn. »Du hast das extra gemacht, nicht wahr?«, raunte er leise. »Im Pariser Hof. Fekete Sereg hast du mit der Spraydose geschrieben, obwohl Holló im Geheimen operieren will. Du hast uns verraten!«
    Wieder lachte Frosch. Leise, verzweifelt, ein Lachen, das ein Weinen war. »Wach auf, Lázlo!«, beschwor er ihn. »Holló manipuliert dich nur. Er nutzt uns alle aus. Der packt uns an den Eiern, Mann, spendiert uns eine Gehirnwäsche und lässt uns dann auf die Menschheit los. WACH AUF!«
    Irgendwo antwortete ein kläffender Hund auf die letzten beiden, fast geschrienen Wörter. Lázlo und Frosch horchten.
    »Du bist verrückt«, flüsterte Lázlo endlich.
    »Ja, bestimmt. Aber nicht so sehr wie Holló, der Rabe.« Wieder dieses grässliche, trostlose Lachen. »Sag mir, Lázlo, bist du nicht immer müde?«
    »Ich …«
    »Sag es! Ja oder nein?«
    »Ja.«
    »Und Kopfschmerzen? Was ist mit Kopfschmerzen?«
    »Ja, ja doch!«
    »Schlafentzug. Desorientierung. Drogen. Die klassischen Mittel der Manipulation. Wie bei Sekten, verstehst du?«
    »Du spinnst doch! Drogen!«
    »Ach ja? Dann hör nur mal eine Woche damit auf, dich am Kühlschrank in den Tunneln zu bedienen. Nur eine Woche!«
    »Aber …«
    »Tu es einfach, Lázlo. Und Holló? Was hat er dir denn erzählt, der Rabe? Kannte er deinen Vater, ist es das? Bestimmt. Bei mir war es die Mutter, die ich nie hatte. Verstehst du, Lázlo? Holló lügt. Er benutzt uns nur,

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