Blutrotes Wasser
Janosch.
»Komm du doch rauf«, rief Frosch zurück. Und lachte. Wieder dieses traurige, verlorene Lachen. Wie Suchscheinwerfer fingen die drei Lichtkegel ihrer Taschenlampen Frosch ein. Lázlo schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, hielt Janosch eine Pistole in der Hand und wiederholte langsam: »Komm sofort runter, Frosch!«
»Mensch, Janosch«, brüllte Lázlo. »Was soll das? Du kannst doch nicht …«
»Ich will ihm nur Angst machen«, sagte Janosch und drückte ab. Der Knall war laut in der Nacht. Die Stille danach noch stiller als sonst, ein Vakuum, das keinen Laut entschlüpfen ließ. Frosch zuckte zusammen, er rutschte aus und fiel. Seine Hände griffen nach dem Metall und konnten sich nicht halten, er glitt am blitzenden Stahl entlang, stürzte und landete in einem der Bajonette. Ein Soldat spießte ihn auf.
Aber Froschs Gewicht war zu schwer: Knarrend und quietschend bog sich das dünn gewalzte Metall, wieder rutschte Frosch und landete mit einem Plumps auf dem Boden.
Janosch hielt die Pistole immer noch ausgestreckt. Er stand reglos, hatte sich selbst in eine Skulptur verwandelt. »Ich … ich habe nur in die Luft …«, stotterte er. Auch die beiden anderen bewegten sich nicht, dann endlich riss sich Lázlo aus seiner Erstarrung und stürzte zu Frosch. Im Licht der Taschenlampe sah das Blut nicht rot aus, sondern schwarz.
»Los, weg hier!«, kreischte Janosch. Er packte André und zerrte ihn mit sich davon.
»Aber wir können doch nicht …« Lázlo schaute ihnen nach, schob dann das zerfetzte T-Shirt von Froschs Bauch. Schwarzes Blut pumpte aus der Seite des Jungen.
Lázlo zerrte sich sein eigenes Hemd über den Kopf, knüllte es zusammen und presste es auf die Wunde. Mit der anderen Hand fingerte er sein Handy aus der Jeans, rief die Polizei an: »Ein Krankenwagen, schnell! Ich glaube, er stirbt. Im Statuenpark, im Szoborpark.«
Er steckte es weg, drückte mit beiden Händen in das Blut hinein. »Halt durch, Frosch«, flüsterte er.
Der bäumte sich auf. »Das Zimmer«, krächzte er so leise, dass Lázlo sich niederbeugen musste, ganz nah an seine Lippen. »Das Zimmer neben Hollós Raum … Lüftungsschacht. Da kannst du … hören … wissen.«
Er sackte weg. Lázlo blieb bei ihm, bis er die Sirenen des Krankenwagens am Parkeingang hörte. Die brennende Taschenlampe ließ er neben ihm liegen, dann huschte er zurück, verschmolz mit der Dunkelheit, die ihn längst umfangen hielt.
10.44 Uhr, im Äther der Telefone
»Herr Meinrad, wo stecken Sie denn?«
»Ich bin schon unterwegs, Sándor. In einer halben Stunde bin ich bei euch. Aber ich … ich wollte mal sozusagen unter vier Augen mit Ihnen reden.«
»Was gibt’s?«
»Zwei Sachen.«
»Die erste?«
»Lena. Ich meine … wie geht es ihr?«
»Ha, ha. Sie sind der Vater. Das sollten Sie schon …«
»Jaja, ich weiß. Aber sie macht gerade eine harte Phase durch. Seit ihrem Tauchunfall ist sie ziemlich … schwierig und verschlossen. Deshalb wollte ich Sie fragen. Sie haben doch ein paarmal mit ihr …«
»Was meinen Sie?«
»Halten Sie mich für blöd? Ich nehme an, es war ihr einfach peinlich, mit mir tauchen zu gehen.«
»Igen. Sie hat’s ein paarmal probiert.«
»Und?«
»Totale Panik. Aber die schafft das schon noch. Lena ist stark.«
»Meinen Sie?«
»Bestimmt. Und die zweite?«
»Bitte?«
»Sache, die Sie besprechen wollen.«
»Ja natürlich. Also, Professor Radelodz. Er behauptet stur, dass die Sensoren falsch kalibriert sind. Aber lang-sam …«
»Sie glauben ihm nicht?«
»Nun, wie soll ich sagen, er ist eine echte Koryphäe, ein hochdekorierter Wissenschaftler und … äh … Nein. Nein, ich glaube ihm nicht.«
*
»Morgen, Großer!«
»Was willst du, Janosch?«
»Nach deinem Befinden fragen.«
»Beschissen, danke. Ich muss wissen, wie es ihm geht.«
»Sei kein Weichei, Lázlo. Was auch immer passiert, es ist nicht wichtig.«
»Ach nein?«
»Das war ein Unfall heute Nacht. Denk nicht mal daran, irgendjemandem davon zu erzählen. Kapiert?«
»…«
»Lázlo? Verstehst du, was die Fekete Sereg befiehlt?«
»Ja. Ja, verdammt.«
»Gut. Vergiss nicht das Treffen heute Abend. Und komm eine halbe Stunde früher. Der Rabe will mit dir sprechen.«
*
»Herr Kommissar? Ja, also, hier ist Doktor Anday … vom Krankenhaus Szent-Kodály, ja. Also, Sie haben sich doch nach diesem Jungen erkundigt, nicht wahr? – Nun, ich darf Ihnen immer noch nichts sagen, was meine ärztliche Schweigepflicht verletzen
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