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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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wirklich praktisch. Hoffentlich verirrte er sich hier unten nicht. Oben kannte er sich dank seiner Mutter ganz gut aus. Aber hier unten? Hauptsache, er kam erst mal ins Erdgeschoss. Der Rest würde sich ergeben.
    17.22 Uhr, Stadtteil Óbuda, Wohnsiedlung Faluház
    »Nun gut, danke auch.« Lázlos Mutter ließ den Hörer sinken. Fast eine halbe Stunde hatte sie mit der Polizei telefoniert, und schließlich wurde ihr versprochen, dass man eine Streife zum Parlament schicke. Aber sie war ja nicht blöd: Zwischen den Zeilen hatte sie herausgehört, dass man ihr nicht glaubte. Am Stephanstag waren einfach zu viele Spinner unterwegs. Sie stand still im Flur, hielt immer noch den Telefonhörer in der Hand und starrte auf die vergilbten Fotografien, die an den Wänden hingen. Lázlo als Baby, Lázlo größer, Lázlo mit seinem Vater und mit ihr. Glückliche Bilder einer vergangenen Zeit. Aus dem Wohnzimmer plärrte immer noch der Fernseher. Was konnte sie noch tun? Sie blätterte durch den Notizblock neben dem Telefon und fand die Nummer des Arztes.
    »Doktor Anday? Hier ist die Mutter von Lázlo. Sie erinnern sich?«
    »Natürlich.«
    »Also, er hat gerade angerufen und steckt in der Klemme. Er hat mir etwas von einer Schwarzen Armee erzählt und dass sie das Parlamentsgebäude zerstören wollen. Ich habe schon mit der Polizei telefoniert, aber ich glaube nicht, dass die mich ernst nehmen.« Sie machte eine Pause. »Tun Sie es, Doktor?«
    Auch er schwieg einen Moment. Dann sagte er: »O ja. Ich nehme Sie sehr ernst. Die Fekete Sereg, sagen Sie? Ich habe die Nummer von einem Kommissar, der sich um die Sache kümmert. Am besten, ich rufe ihn selbst an. Vielen Dank.«
    Aufgelegt. Und jetzt? Sie legte den Hörer behutsam auf die Gabel. Ein leises Klicken. Was konnte sie bloß tun? Lázlo war ein guter Junge, das wusste sie. Es war auch ihre Schuld, dass er … sein Leben hatte wegwerfen wollen. Aber sie war müde gewesen. Müde und schwach. Unruhig ging sie ins Wohnzimmer. Was sie tun sollte? Ha. Das wusste sie doch. Mit einem wütenden Ruck zerrte sie das Fernsehkabel aus der Steckdose. Der Bildschirm blitzte auf und verlosch. Was wohl? Das, was sie schon längst hätte tun sollen. Ihrem Sohn helfen. Lázlos Mutter schnappte sich ihren Schlüsselbund, schlüpfte in ihr bequemstes Paar Sandaletten und machte sich auf zum Parlament.
    17.25 Uhr, Parlament
    Endlich erwischte er die richtige Tür. Lázlo steckte den Kopf hindurch und atmete auf, als ihn keine schmutzigen Kellerwände in Betongrau, sondern eine holzvertäfelte Decke und Teppiche auf dem Boden begrüßten. Ohne zu wissen, wo genau er hier gelandet war, schlich er vorsichtig weiter. Natürlich arbeiteten auch heute und jetzt Leute hier, aber bestimmt nicht viele. Und um die Security brauchte er sich nicht zu kümmern – das hatte sicher schon Janoschs Stoßtrupp übernommen. Er schlüpfte durch die nächste Tür, musterte den leeren Raum und schob sich ans Fenster. Draußen glitzerte die Donau in der Sonne und bunt gekleidete Menschen drängten sich an ihrem Ufer wie in Farbtöpfe gefallene Ameisen. Er war also im Nordflügel. Gut. Lázlo huschte wieder nach draußen und überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Er konnte es nicht mit der Fekete Sereg aufnehmen – so jemand wie André oder auch István würden ihn mit nur einer Hand zu Lázlobrei verarbeiten. Er konnte nicht verhindern, dass sie die Sprengsätze anbrachten. Aber … musste er das überhaupt?
    Er überlegte einen Moment, dann schlich er zurück in das Zimmer mit Donaublick. Er setzte sich an den Schreibtisch, holte den Lageplan des Parlaments heraus und blickte auf das erbeutete Handy. Kurz nach halb sechs.
    Dann schloss er die Augen. Und wartete.
    17.39 Uhr, Szent-Kodály-Krankenhaus
    Doktor Anday fluchte. Wenn man die Polizei mal brauchte, gingen sie nie ans Telefon. Aber wenn die »Komm her!« brüllten, musste man antanzen wie ein Bär. Zum vierten Mal wählte er Kommissar Frenyczeks Nummer, zum vierten Mal hatte er kein Glück.
    »Möge dich die Hure Babylon zuscheißen und die drei Parzen in Grund und Boden ficken!«, schimpfte Anday.
    »Nicht schlecht. Den kenn ich noch gar nicht.«
    Der Psychologe wirbelte herum. »Du bist wach?«
    »Ich wünschte, ich wäre es nicht.«
    »Starke Schmerzen?«
    »Nur wenn ich hüpfe.«
    Stirnrunzelnd schaute Anday ihn an, aber Frosch winkte nur müde ab. »Ein Witz für Insider, Doc«, erklärte er.
    »Was hat die Fekete Sereg vor?«
    Frosch seufzte, sein

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