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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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Parlament, Kossuth tér
    Frenyczek kam sich vor wie der letzte Trottel. Er konnte nichts anderes tun, als hier den Fels in der Brandung zu spielen und feiernde Menschenwellen an sich abprallen zu lassen. Warum dauerte das so lange? Von Rot 3 hatte er immer noch nichts gehört und deshalb Rot 2 zum Gellért-Bad geschickt. Aber der steckte immer noch im Stau. Rot 1 sollte zur Höhle und Lena abfangen. Aber auch der kam gerade erst an.
    »Hast du’s endlich geschafft«, brüllte Frenyczek ihn an.
    »Jawohl. Warten Sie mal Chef, ja, hier ist ein Mädchen. Augenblick!«
    Frenyczek hörte ein Knistern und Fiepen, dann nichts mehr. Offenbar hatte der Idiot sein Mikro ausgeschaltet. Eine Minute verzitterte. »Rot 1, was zum Teufel ist los?«
    »Chef? Hier bin ich wieder. Also, wenn ich diese Lena richtig verstanden habe, hat sie die Bomben entschärft. Ich wiederhole: keine akute Gefahr für das Gellért-Bad.«
    »Ha!« Der Hauptkommissar schlug die Hände ineinander. Die erste gute Nachricht seit vier langen Wochen.
    18.01 Uhr, Gellértberg, Eingang zur Molnár János
    Fünf Minuten versuchte Lena einem Polizisten, der sich selbst dämlicherweise Rot 1 nannte, die ganze Sache zu erklären. Sie zeigte ihm den Höhlenaufriss, deutete auf die markierte Stelle, zeichnete eine 5 daneben, fünf Fässer voll Gift, und berichtete, was passiert war. Dann verlor sie endgültig die Geduld, drehte sich einfach um und rannte los. Was hatte Lázlo gesagt?
Ich habe noch eine Verabredung im Parlament.
Und dorthin würde sie ihm jetzt folgen. Sie rannte an der Donau entlang Richtung Kettenbrücke, um den Fluss zu überqueren. Jedenfalls wollte sie rennen. Aber einerseits wackelten ihr immer noch die Knie: Wenn sie Pech hatte, würde sie noch nachträglich in Ohnmacht fallen. Und andererseits waren die Straßen so voller Menschen, dass von rennen auch keine Rede sein konnte. Die Kettenbrücke war für den Verkehr gesperrt – Bus, Straßenbahn oder Taxi nutzten also auch nichts. Deshalb schob, drängte und schubste sich Lena durch die Menge. So viele Leute hatte sie noch nicht mal im Wiener Prater gesehen und selbst das Münchner Oktoberfest, das sie einmal besucht hatte, war nicht derart überfüllt gewesen. Hier brodelte die ganze Stadt. Überall lachte und tanzte man, kaufte und verkaufte. Vor jedem Haus hing mindestens eine ungarische Fahne – die Straßen flatterten in Rot und Weiß und Grün. Was für ein Chaos. Und Lázlo? Was machte er?
    18.15 Uhr, im Parlament
    Lázlo blickte auf die Uhr: Bis Viertel nach sechs hatte er sich Zeit gegeben. Denn jetzt mussten Janosch und seine Leute fertig sein. Ab jetzt lief die Zeit wieder gegen ihn, Lázlo. Er schlich zur Tür, rannte so leise wie möglich durch die Gänge und erreichte endlich das prunkvolle Treppengeländer. Vorsichtig näherte er sich dem Kuppelsaal und lauschte. Nichts. Ein paar Schritte weiter und er erkannte den geplünderten Glastresor: Die Stephanskrone fehlte, von Janosch und den anderen keine Spur. Gut.
    Methodisch und schnell machte sich Lázlo auf die Suche. Er hatte den Grundriss des Gebäudes genau im Kopf und wusste, wo die Bomben versteckt waren. Vier fand er ohne große Schwierigkeiten. Er entschärfte sie rasch – schließlich hatte er das tagelang geübt. Die fünfte war besser versteckt, aber schließlich war auch sie keine Gefahr mehr. Auf der Suche nach dem letzten Sprengkörper stolperte er über drei Wachleute: Sie waren geknebelt, verschnürt und übel zugerichtet, aber sie lebten. Erleichtert atmete Lázlo auf und blickte auf das Handy: halb sieben, langsam musste er sich beeilen. Ohne jetzt noch Rücksicht zu nehmen, rannte er durch den Prunk und Glanz vergangener Jahrhunderte. Als er schließlich erschöpft und mit zitternden Beinen die letzte Bombe unschädlich gemacht hatte, ließ er sich auf den Boden gleiten. Das wäre geschafft! Papa, siehst du mich? Ich habe Glück gehabt, Papa.
    Dann rappelte er sich wieder auf. Die Krone. Jetzt blieb nur noch, das heilige Schmuckstück wiederzubeschaffen und Holló, dem Raben, endlich die Maske vom Gesicht zu reißen.
    18.36 Uhr, vor dem Parlament
    Seine Erleichterung war schnell verflogen. Gut, dieses Mädchen hatte das Unfassbare geschafft. Aber sein Bauch wälzte immer noch Wackersteine und seine Nase sagte ihm, dass noch nicht alles vorbei war. Hauptkommissar Frenyczek blickte sich um. Die seltsame Folkloretruppe auf der Bühne hatte endlich mit ihrer Hopserei aufgehört. Anscheinend führten sie jetzt

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