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Blutrotes Wasser

Blutrotes Wasser

Titel: Blutrotes Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Torsten Krueger
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bedeuteten. Trotzdem schade.
    Müßig ließ er seinen Blick über das Becken schweifen. Erstaunlich, wie viel heute hier los war. Géza hätte gedacht, dass alle dem heiligen Stephan huldigten, aber offenbar gab es doch genügend wie ihn, die dem Trubel auf der Straße ein warmes Bad vorzogen. Alte Frauen und Männer wie er, aber auch jüngere Leute und sogar Familien mit ihren Kindern. Sie alle planschten in dem warmen mineralreichen Wasser herum. Géza dachte einen Monat zurück, ja, vier Wochen war das jetzt her. Als blutrotes Wasser durch das Gellért-Bad geströmt war und Panik ausgelöst hatte. Hm, das war schon unheimlich gewesen. Aber es waren nur Algen. Völlig ungefährlich. Géza warf einem kleinen Jungen böse Blicke zu, als der ein bisschen zu toll herumplanschte. Das hier war schließlich ein Heilbad, da konnte man ja wohl ein bisschen Ruhe verlangen. Ein Heilbad, ja. Um die Gesundheit zu fördern.
    16.59 Uhr, im Höhlensystem Molnár János
    Vier von fünf. Fast geschafft. Aber es ist immer der Letzte, der einen umbringt. Scheiß Spruch. Vier von fünf, auf in die Strümpf’. Lena spürte, wie die Panik in ihrer Zelle rüttelte und schrie. Die Tauchermaske war beschlagen, sie konnte nicht mehr viel erkennen, aber immer noch genug. Gerade war der letzte Timer umgesprungen und sie erkannte die grässlichen Ziffern: Null und Null und Null. Nur die Sekunden sprangen hektisch, zählten von 59 abwärts. Sie hatte es in Filmen immer gehasst, wenn Mister James Bond die Atombombe erst in letzter Sekunde entschärfte. War doch eh klar, dass er es schaffte. Da brauchte man doch nicht so ein Brimborium darum zu machen. Ha-Hu, Ha-Hu. Wie viel Luft hatte sie eigentlich noch in der Flasche? Nicht jetzt, Lena. Das Tauchermesser rutschte vom Draht. Pass doch auf! Die Ziffern flirrten vor ihren Augen, ein gnadenloses Rückwärtszählen. Noch dreißig Sekunden.
    Noch zwei Drähte.
    Ich bin tot, dachte Lena.
    17.00 Uhr, in Budapest
    Glocken läuteten. Die Schläge dröhnten von der Stephansbasilika über Pest und wurden von der Matthiaskirche in Buda, oben auf dem Burgberg, beantwortet. Im Faluház, dem schlechtesten Bau Ungarns, telefonierte Lázlos Mutter mit der Polizei und versuchte den Beamten am Telefon zu überzeugen. An der Donauseite des Parlaments brüllte Hauptkommissar Frenyczek in sein Mikro »Rot 3, bitte melden. Was ist los, verdammt!«. Auf der östlichen Seite verschwand Lázlo tiefer im Luftschacht, fand sich in einem düsteren Gang wieder, der zu einem Lagerraum führte: bis oben hin mit Eis gefüllt, zur Kühlung des Landtagsgebäudes aufgeschichtet. Im Gellért-Bad überlegte Géza sich eine neue Schachstrategie, auf den Straßen humpelte Éva müde, aber glücklich immer noch Richtung Parlament: Ihre beiden Eimer waren leer, sie hatte schon alle Blumen verkauft. Am nördlichen Seiteneingang des Parlaments schoben sich Janosch, André und István im Schutz der Schwarzen Armee zur alles entscheidenden Tür und drangen in das Gebäude ein. Niemand beobachtete sie. Im Szent-Kodály-Krankenhaus träumte Frosch von einer silbernen Maske, die ihn böse und hungrig anstarrte, an seinem Bett wachte müde der Psychologe Anday.
    In der Molnár János schließlich rutschte ein Tauchermesser das letzte Mal über einen Draht und schnitt, schnitt tatsächlich durch, Lena blinzelte Schweißtropfen in ihrer Tauchermaske weg, in ihren Ohren dröhnte ihr eigener Atem, Ha-Hu, Ha-Hu, und dann …
    … blieb die letzte Ziffer stehen. 00:00:01.
    James Bond wäre stolz auf sie.

20
    Immer noch Samstag, 20. August, Stephanstag
    17.11 Uhr, in den Lüftungskellern unter dem Parlament
    Lázlo stolperte vorwärts. Ob Lena es geschafft hatte? Nicht jetzt, darüber konnte er sich später noch genug Gedanken machen. Er sollte lieber überlegen, was vor ihm lag. Wenn alles nach Plan verlief, sollte Janosch jetzt mit seinen Leuten dabei sein, die Wachmannschaft auszuschalten und Sprengsätze im Parlament zu verteilen. Die Kameras hatten sie schon bei ihrem letzten Einbruch manipuliert – die würden sie nicht stören. Zum ersten Mal ging Lázlo auf, was für einen gigantischen Einfluss der Rabe haben musste. Und Geld – der Typ musste reich sein. Allein die notwendigen Bestechungsgelder mussten in die Millionen gehen. In ungarischen Forint natürlich. Trotzdem. Wer war Holló, der Rabe?
    Vorsichtig und leise bewegte sich Lázlo vorwärts, durchquerte Gänge, stieg Treppen hinauf und öffnete Türen. So ein Generalschlüssel war

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