Blutsäufer (German Edition)
einen Mann observiert, der unter dem Verdacht stand, seine Frau zu
betrügen. Bernstein war von dem Mann entdeckt worden, weil er mit seinem Wagen
recht auffällig vor dessen Wochenendhaus gestanden hatte. Als er sich einmal die
Beine vertreten wollte, war er von dem plötzlich herannahenden, schreienden und
zornglühenden Ehemann gegen seinen Wagen gestoßen worden. War keine große
Sache. Und bisher der einzige Übergriff, den er während seiner Karriere erleben
durfte. Den Mann hatte er Tage später mit Blitzlicht durchs Fenster
fotografiert – ihn und seine Freundin, die sich gerade wie eine gierige
Wurstesserin sein erigiertes Glied in den Mund stopfte. Beim Aufflammen des
Blitzlichts kam es zu einem unbeabsichtigten Biss und zehn Minuten später kam der
Notarzt. Den hatte er dann nicht mehr fotografiert.
„Hast bestimmt spannende Sachen erlebt,
Peter.“
Er winkte ab, den Bescheidenen mimend.
Magdalena holte einen nassen Lappen, weil im
Kühlschrank keine Eiswürfel mehr waren. Er nahm ihr den Lappen ab und drückte
ihn gegen sein Auge.
„Du gefällst mir, Peter“, sagte sie
unvermittelt. „Ist mir übrigens echt peinlich, was eben passiert ist. Wenn ich
einen Mann mag, mache ich oft solche verrückten Sachen, und die gehen
eigentlich immer schief.“
„Musst dich nicht schon wieder entschuldigen.
Ich leb ja noch.“ Er fasste sich an die Augenbraue und bemühte sich, das
Gesicht nicht zu verziehen.
„Willst du heute Nacht hier schlafen, Peter?“,
fragte sie in einem beiläufigen Tonfall. Sie sah ihn an wie die sprichwörtliche
Unschuld vom Lande.
Bernstein wiegte seinen Kopf hin und her. Er
dachte an ihre Hüftbewegung mit optimaler Kraftübertragung. Wenn sie ihre Hüfte
auch bei anderen Gelegenheiten so optimal einsetzt, dachte er.
Andererseits war ihm die Frau nicht geheuer.
Er ließ sich zu viel Zeit mit der Antwort.
Kam sofort negativ rüber. Frauen dachten dann sofort: „Findest du mich hässlich,
Peter?“
„Nein“, sagte er, „du bist … recht hübsch.“
Das war die falsche Antwort, das sah er an
ihrem Gesicht. Um sie von seinem Fauxpas abzulenken, erfüllte er ihren Wunsch
und erzählte von seinem aktuellen Fall. Er übertrieb selbstverständlich. Sie
sollte in ihm den Mann sehen, der unerschrocken den größten Gefahren trotzte. Arnos
Annahme, dass die Abspritzermorde mit den Vermisstenfällen in direktem
Zusammenhang standen, kam ihm plötzlich zupass. Er stellte es so dar, dass er
neben der Suche nach einem Vermissten auch noch dem Abspritzermörder auf der
Spur war. Die verrückte Kleine aus dem unheimlichen alten Haus schilderte er dabei
als gemeingefährlich und als Hauptverdächtige. Er würde ihrem Haus heute noch
einen Besuch abstatten, er würde sich dort umsehen und Beweis um Beweis
sammeln. Während er erzählte, auch von dem, was er bei seinen Ermittlungen in
der Schein-Bar erfahren hatte, glaubte er selber klarer zu sehen.
Ja, dachte er, es konnte durchaus sein, dass
die verrückte Kleine auch für die Abspritzermorde verantwortlich war. Doch wenn
das stimmte, wenn sie die Frau war, die den Kampfkunstlehrer im Vorbeilaufen um
die Ecke gebracht hatte, musste er sich extrem in acht nehmen.
„Du solltest nicht allein in das Haus gehen“,
sagte Magdalena besorgt und fügte hinzu: „Ich begleite dich.“ Erst nach und
nach schien ihr die Bedeutung seiner Worte aufzugehen. Plötzlich wirkte sie zu
allem entschlossen. „Du meinst, diese Frau ist Andrés Mörderin?“ Mit versteinerter
Miene zeigte sie auf das Langschwert an der Wand und erläuterte: „Das ist kein
Zierrat. Das ist geschliffener Stahl. Wenn diese Schlampe Andrés Mörderin ist, werde
ich den geschliffenen Stahl in ihren verdammten Schlampenleib rammen.“
„Ich kann dich nicht mitnehmen“, sagte Bernstein
und bereute gleich, ihr so viel erzählt zu haben, „das ist zu gefährlich. Es
reicht, wenn sich einer in Gefahr begibt. Und ich werde dafür bezahlt.“
„Aber unbewaffnet hast du gegen dieses Vieh
keine Chance, wenn schon André keine Chance gehabt hat.“
„Keine Angst, ich werde nicht unbewaffnet
sein. Ich nehme meine Bleispritze mit. Mit der hält mich niemand so leicht auf.“
Er dachte an das verrostete alte Ding, das im
Schlafzimmerschrank unter seinen Socken versteckt lag. Er hatte es nie benutzt.
Aber heute Abend würde er es mitnehmen. Er würde sich mit dem Ding besser
fühlen. Und vielleicht würde er es sogar wirklich benutzen.
Magdalena nahm das Schwert von der Wand
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