Blutsäufer (German Edition)
und
zog es aus der Scheide. Sie hielt es mit beiden Händen wie ein Samurai und ließ
es durch die Luft pfeifen. Diagonal geführte Hiebe, von oben nach unten und entgegengesetzt
von unten nach oben. Und einmal, als sie ihren Körper drehte, ein seitlich
geführter Streich. Da war sie schon wieder gefährlich nah bei ihm.
Bernstein wurde mulmig zumute. Er war
vorsichtshalber ein paar Schritte zurückgetreten. Es war Zeit zu gehen.
An der Tür kitzelte ihn die Schwertspitze.
„Rufst du mich heute Nacht an?“
Er nickte nervös.
„Wenn ich nichts von dir höre, komme ich
nach. MIT dem Schwert komme ich nach! Hast du verstanden?“
Abermals nickte er.
„Ja … äh … Magdalena.“
17
Als
es Franz wieder besserging, verließ er erstmals seit Tagen sein Zimmer. Sein
Gang war noch unsicher und wacklig. Für die paar Schritte bis zur Tür brauchte
er eine gefühlte Ewigkeit und musste sich, als er es endlich geschafft hatte,
eine Weile dagegenlehnen. Er stützte sich an der Klinke ab und fuhr mit dem
Handrücken über seine Stirn.
Keine Schweißperlen, aber ein dünner,
klebriger Schweißfilm lag darauf.
Er konnte sich nicht entsinnen, jemals derart
krank gewesen zu sein. Sicher, Grippe mit Fieber, auch mit höherem Fieber, kannte
er, aber dass er nicht allein das Bett verlassen konnte, weder aufs Klo gehen
noch zum Kühlschrank, das hatte er noch nie erlebt. Diese Erfahrung war ihm
neu.
Es war ihm unsagbar peinlich, dass er sich
wie ein Kleinkind von der Gräfin hatte füttern und waschen lassen müssen. Und
seinen Nachttopf …
Dass sie jede Nacht seinen Nachttopf geleert
hatte, darüber wollte er lieber erst gar nicht nachdenken, das war ihm
besonders peinlich.
Warum machte sie all das für ihn? Sie, eine
Gräfin?
Eine Vampirin!
Die Frage, warum sie für ihn tat, was sie für
ihn tat, würde er sich selber kaum beantworten können. Und er würde sie auch
nicht fragen, warum sie sich so aufopferungsvoll um ihn kümmerte.
Wenn er sich all die Filme und Romane in
Erinnerung rief, die er in seinem Leben gesehen oder gelesen hatte, musste er
sein Bild, das er sich von Vampiren gemacht hatte, jedenfalls neu überdenken.
Nicht, dass er vorher an Vampire geglaubt
hätte.
Nein, natürlich nicht!
Doch in den Romanen, die er gelesen, und in
den Filmen, die er gesehen hatte, gab es keine Vampire, die so fürsorglich wie
die Gräfin waren. Fürsorglicher als mancher Mensch. Manchmal auch rabiat, ja,
aber in letzter Zeit überwog doch ihre zärtliche Fürsorge.
Sie schien ihn tatsächlich zu mögen.
Franz tastete sich den Flur entlang zum Bad. Dort
klappte er den Klodeckel hoch und setzte sich. Und blieb eine halbe Stunde erschöpft
hocken. Unter ihm rieselte unaufhörlich Wasser ins Klobecken. Die defekte Spülung
sollte sich vielleicht einmal jemand ansehen, dachte er, und bei der
Gelegenheit könnte dieser Jemand ein 10er-Pack Klopapierrollen mitbringen.
Waren nämlich bloß noch anderthalb Rollen da.
Als er fertig war und gespült hatte, wusch er
sich am Waschbecken und betrachtete danach im Spiegel die Male an seinem Hals.
Wann hatte sie ihn das letzte Mal gebissen? Oder einfach ihre Eckzähne in die
schon vorhandenen Male versenkt, um ihnen ein paar Tropfen zu entlocken? Nicht
oft in den vergangenen …
Tagen?
Wochen?
Vergangene Nacht hatte sie zu ihm gesagt,
dass sie von nun an nicht mehr an seinem Hals naschen würde. Ja, sie hatte naschen gesagt.
In dieser Nacht war sie zu Scherzen aufgelegt
gewesen. Er hatte ihre gute Laune ausgenutzt und sie Verschiedentliches über
Vampire gefragt.
Ob Vampire fliegen könnten, zum Beispiel.
Ob sie sich vor silbernen, geweihten Kreuzen
fürchteten.
Ob sie nachts in ihren Särgen schliefen.
Ob sie Hobbys hätten.
Ob sie unsterblich wären.
Eingegangen war sie nur auf wenige Fragen. Bei
der Frage, ob sie sich vor silbernen, geweihten Kreuzen fürchteten, war ihr
dunkles Lachen aufgeklungen. Brachten also anscheinend nichts, diese Dinger.
Hatte er sich schon gedacht gehabt.
Bei der Frage nach der Unsterblichkeit war
sie verstummt. Die Heiterkeit in ihrem Gesicht war einer todernsten Miene
gewichen. Sie hatte ihm durchs Haar gestrichen und war wenig später gegangen,
ohne sich von ihm zu verabschieden oder ihm einen Kuss zu geben.
Den üblichen Kuss hatte er geradezu vermisst.
Franz trat in die Küche. Ging schon besser
mit dem Laufen. Nur hin und wieder musste er sich vorsorglich an der Wand abstützen.
Er öffnete den Kühlschrank. Er war immer
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