Blutsäufer (German Edition)
Jeans und ein fleckiges graues
T-Shirt.
Passte alles nicht zur Abspritzermörderin.
Magdalena lief geduckt bis zu dem lodernden
Halbkreis aus Fackeln und ließ sich auf alle Viere fallen. Das Schwert legte
sie vor sich auf den Boden.
Die Fackeln steckten in einem Abstand von
etwa fünfzig Zentimetern in der Erde. Magdalenas Kopf war eingerahmt von zwei
hochzüngelnden Flammen. Ihr wurde heiß, aber daran war nicht allein das Feuer
schuld. Wenn sie Angst hatte oder aufgeregt war, schwitzte sie oft wie ein
Schwein. Unter ihren Achseln bildeten sich bereits dunkle Flecken. Der Baumwollstoff
ihres Ninja-Anzuges klebte unangenehm auf der Haut, und sie spürte, wie ihr der
Schweiß in Rinnsalen an den Seiten herablief.
Die Fläche, die von den Fackeln gesäumt war,
kam ihr plötzlich wie eine Bühne vor, auf der gleich der finale Akt einer furiosen
wie grausamen Horrorshow stattfinden sollte und ein imaginäres Publikum auf den
Auftritt der Hauptdarstellerin wartete. Wer die Hauptdarstellerin war, war
zweifelsohne klar, aber wer oder was war sie, Magdalena? Nur eine Zuschauerin?
Ein Opfer wie der Mann an den Pfählen? Oder die Heldin, die dem Bösen Einhalt
gebot?
Wenn sie die Bühne betrat, würde sie auf
jeden Fall Teil der Show sein, aber sie zögerte noch.
Wenn du am Rand bleibst bis zum Beginn der
Show, ist es das Gleiche, oder? Dann ziehen sie dich auf die verdammte Bühne
und du musst kämpfen.
Wo war eigentlich das Nacktmännchen
abgeblieben – stiften gegangen?
Noch kannst du es ihm gleichtun, dachte sie.
Geh stiften!
Auf einmal erhob sich der Mann in dem Stuhl
und drehte sich um. Er tat es nicht in einer fließenden Bewegung, dazu schien
er nicht in der Lage, er brauchte drei eckige Anläufe dafür. Dreimal schob er
sein rechtes Bein zurück und zog mit dem linken seitlich nach. Er war wacklig
auf den Beinen, aber breitschultrig und riesengroß wie ein Monstrum aus einem
surrealen Film.
Furchterregend, unheimlich sah er aus, gleich
einer Kreatur der Hölle.
Aber die Hölle existiert nicht.
Bist du sicher, Magdalena?
Magdalena umklammerte den Schwertgriff mit
einer schweißnassen Hand.
Jetzt machte er einen Schritt auf sie zu.
Blieb stehen. Machte noch einen Schritt. Blieb wieder stehen. Je näher er herankam,
auf sie und die Fackeln zu, desto deutlicher zeichnete sich sein fratzenartiges
Antlitz ab.
Nach dem dritten Schritt senkte er den Kopf –
der Kopf sackte vielmehr nach vorn, klappte nach unten, mit dem Kinn auf die
Brust – und hob ihn dann wieder, sehr bedächtig, als habe er vor, den Boden vor
sich mit übertriebener Gewissenhaftigkeit abzusuchen.
Wenn er den Kopf noch ein kleines Stück
anhob, würde er sie sehen können.
Roch er sie? Hatte er sie schon gerochen, als
er auf seinem thronartigen Stuhl hockte? War sie sein Ziel, für das er
aufgestanden war, das Objekt seiner Begierde?
Sie erschrak, als seine Augen auf die ihren
trafen: rotglühende, böse Augen. Furchtbar hungrige und gierige Augen.
Er öffnete den Mund, um ihr seine Art von
Lächeln zu schenken. Ein Lächeln, bestehend aus vier scharfen Eckzähnen, die in
einer dunklen Mundhöhle funkelten. Ihr fiel auf, dass es gar nicht eines
Lächelns von ihm bedurfte, um einen Einblick in seine Mundhöhle zu erhalten. Seine
aufgerissenen Wangen mit den über den Kiefer lappenden Streifen boten hierfür
breite Schlitze und Löcher an.
Das Monstrum nahm seinen Weg wieder auf, die
Arme nach beiden Seiten ausgestreckt wie ein Seiltänzer, der bemüht ist, sein
Gleichgewicht zu halten.
Wie in Trance sah sie ihm dabei zu.
Sein Hosenbein geriet in die Flamme einer
Fackel, als er schon gefährlich nah heran war. Es fing sofort Feuer, doch das
schien ihn nicht zu stören.
Wie lange willst du noch warten?, dachte Magdalena,
du musst handeln – jetzt, sofort!
Sie sprang auf, das Schwert senkrecht vor dem
Körper.
Und war doch nicht gleich kampfbereit.
Ein langer Arm tastete sich quälend langsam
vor. Ihm war leicht auszuweichen, doch sie starrte ihn bloß wie gebannt an und war
erst zu einer Bewegung fähig, als die klauenartige Hand fast ihre Kehle
erreicht hatte.
Zur Seite wich sie aus und zog das Schwert sofort
nach unten. Die Klinge traf auf einen Widerstand. Dann glitt sie weiter, sauste
sie weiter, bis ihre Spitze sich in die Erde bohrte.
Magdalena zog sie heraus und hob das Schwert
über den Kopf.
Neben einer Fackel lag der abgetrennte
Unterarm des Monsters. Die Hand daran zuckte noch und griff in die Erde, in
vergilbtes
Weitere Kostenlose Bücher