Blutsauger
unter der er zu erreichen ist. Ich glaub, in den Akten steht seine Handynummer.«
Der Kriminalist beschleunigte hinterm Ortsausgangsschild von Nellingen nur mäßig, weil er noch vor Erreichen von Türkheim, dem Wohnort Frenzels, wissen wollte, ob es mit einem kurzen Besuch klappte.
Glücklicherweise fand der angerufene Kollege in der Dienststelle die gesuchte Nummer sofort. Kerstin notierte sie und rief gleich an. Nach drei Rufzeichen meldete sich Frenzel und zeigte sich mit einem persönlichen Gespräch einverstanden. Allerdings sei er nicht zu Hause, sondern im Naturschutzzentrum Schopfloch. Kerstin schilderte ihrem Kollegen die Situation, der zum Glück die Strecke dorthin kannte. »Halbe Stunde, maximal«, beschied er knapp, worauf die Polizistin das Gespräch beendete und er den Wagen bis Türkheim voll beschleunigte, um am dortigen Ortseingang links nach Aufhausen abzubiegen. Er hoffte, dass auch die Nebenstraßen einigermaßen gut geräumt sein würden.
»Wird ein bisschen später heute«, lächelte Linkohr und wünschte sich, dass sich der Fall noch so ausweitete, dass sein großes Vorbild August Häberle eingreifen musste. Allein Kerstin zuliebe wünschte er sich dies. Sie würde von ihm sehr viel lernen können. »Hast du eigentlich heute Abend schon was vor?«, wagte Linkohr einen direkten Vorstoß.
»Ja«, kam es zurück – und er drohte in Selbstmitleid zu verfallen. Natürlich hatten alle Frauen, die ihn interessierten, was vor.
»Ach, schade«, murmelte er tief enttäuscht.
»Wieso schade?«, tat Kerstin so, als wisse sie nicht, wie sehr er ihre Aussage bedauerte. »Du fragst ja gar nicht, mit wem ich was vorhabe.«
»Das geht mich auch nichts an.«
»Ich denke schon«, grinste sie und sah ihn von der Seite an. Auch er riskierte jetzt einen Seitenblick und spürte sein Herz pochen.
36
Schmittke hatte gerade zur Kenntnis nehmen müssen, dass Linkohr und Kerstin auf dem Weg zum Naturschutzzentrum in Schopfloch waren, als ihm einer der Kollegen das Ergebnis einer schnellen Durchsuchung von Fallheimers Wohnung mitteilte. Nachdem es niemanden gab, der einen Schlüssel hatte, und Tochter Lena nicht erreichbar war, hatte sich Schmittke mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt in Verbindung gesetzt. Denn angesichts der fragwürdigen Umstände, die sich um Fallheimers Tod rankten, war es dem Leiter der Kriminalaußenstelle am Spätnachmittag geboten erschienen, die Wohnung des Arztes öffnen zu lassen. Amtsrichter Reinhard Schwenger, der für gewöhnlich bis 18 Uhr im nahen Amtsgericht über seinen Akten brütete, hatte sich von der Notwendigkeit dieses Vorgehens überzeugen lassen und die Genehmigung dafür erteilt.
»Scheint ein ganz ordentlicher Mensch gewesen zu sein«, berichtete der ältere Kriminalbeamte, der in Schmittkes Zimmer gekommen war. »Dafür, dass seine Frau ausgezogen ist, hält er die Bude wirklich in Schuss. Oder er hat eine Haushälterin. Jedenfalls keine Besonderheiten erkennbar. Nichts Auffälliges. Im Arbeitszimmer das Übliche: Computer, Datenträger und so weiter. Wäre Aufgabe unserer EDV-Spezialisten, sich dort durchzuwursteln.«
»Und sonst?«, hakte Schmittke ungeduldig nach. »Keine Dokumente, nichts Schriftliches?«
»Doch. Lass mich mal ausreden. In einem Aktenschrank ist uns zumindest ein Leitzordner aufgefallen. Aufschrift: ›Projekt‹. Dürfte sich um das handeln, was wir suchen. Aber beim flüchtigen Durchblättern nur irgendwelche Kostenabrechnungen und so ’n Zeug. Kopien irgendwelcher Laborberichte und jede Menge wissenschaftliche Abhandlungen über Gene und Stammzellen.« Er hielt kurz inne. »Aber jetzt kommt’s: Wir sind auf eine Adresse im Gewerbegebiet Laichingen gestoßen. Dort taucht sogar ein Name auf.«
»Ach?«
»Ja. Ein gewisser Humstett. Dr. Claus Humstett.«
»So, so. Immerhin etwas. Aber ich denke, es reicht, wenn wir ihn uns morgen genauer ansehen.« Deswegen Überstunden zu machen, hielt er für nicht angemessen. »Außerdem«, fuhr er fort, »kriegen wir morgen Verstärkung.« Er schien darüber nicht angetan zu sein.
»Verstärkung? Wie meinst du das?«
»Der Chef in Göppingen will eine Ermittlungsgruppe haben. Und Häberle als Leiter.«
»Häberle?«, fragte der Beamte, der sich an den Rahmen der Tür gelehnt hatte. »Wieso denn Häberle?«
»Sie wollen zwar keine Sonderkommission, nur eine Ermittlungsgruppe – aber Häberle soll vorne dranstehen.«
Der altgediente Kriminalist schwankte zwischen ungläubigem Staunen und
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