Blutsauger
’ne coole Sache. Party ohne Ende. Warum interessiert Sie das?«
»Dann wird die Zehn-Rappen-Münze, die wir in Ihrem Auto gefunden haben, von dieser Reise stammen.«
»Eine Zehn-Rappen-Münze?«, staunte Frenzel. »Kann sein. Ist aber, wenn ich mir’s genau überlege, eher unwahrscheinlich. Ich hab gar kein Geld umgetauscht gehabt. War eingeladen. Die ganze Zeit über eingeladen. Geil, was?«
»Sie hatten also gar kein Schweizer Geld dabei?«
»Keinen Franken und kein Räppli. Ich schwör’s. Und auch keinen schwarzen Koffer voller Schwarzgeld«, witzelte er. »Das überlass ich denen, die ihre Peanuts für dezente Freundschaftsdienste in Politik und Wirtschaft zugesteckt kriegen. Und die spielen in ’ner anderen Liga.«
Frenzel hatte recht, dachte Linkohr und empfand Sympathie für diesen jungen Mann. »Wenn Sie Freunde in der Schweiz haben, sind Sie hin und wieder dort – oder es fahren Personen mit, die Schweizer Franken dabeihaben«, stellte er fest.
»Eigentlich höchst selten. Wenn ich nach Basel fahr, lass ich meine Karre dort meist stehen. Ein Kumpel von mir hat ’n Auto und außerdem geht’s mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowieso besser.«
»Das heißt«, entgegnete ihm Kerstin, »Sie halten es für ausgeschlossen, dass diese Münze in jüngster Zeit in Ihr Auto gelangt ist.«
»In jüngster Zeit ja, aber – um ehrlich zu sein – es kommt selten vor, dass ich die Karre innen putze. Das Ding kann schon seit Längerem dort drin liegen.«
Linkohr hatte dies befürchtet. Damit war eine weitere Spur auf den Unfallflüchtigen kaum etwas wert: »Unsere Experten haben in Ihrem Fiesta relativ viele Kunststofffasern gefunden. Graue und weiße. Fällt Ihnen dazu etwas ein?«
»Kunststofffasern?« Frenzel fasste sich ans Kinn und strich sich mit der flachen Hand über den Mund. »Wovon? Ich mein, was soll das bedeuten?«
»Das fragen wir Sie«, antwortete Kerstin keck und verzog ihr Gesicht zu einem sympathischen Lächeln.
Völlig unpassend, wie Linkohr dachte, weshalb er energischer nachlegte: »Ihre Sitzpolster, insbesondere Fahrersitz, sind vermutlich in jüngster Zeit mit etwas in Berührung gekommen, das aus Kunststofffasern bestanden hat.«
»Und was könnte dies gewesen sein?«
Kerstin lächelte wieder: »Genau das fragen wir Sie. Überlegen Sie mal scharf. Haben Sie ein Kleidungsstück, das darauf schließen ließe?«
Linkohr ergänzte: »Könnte natürlich eine geraume Zeit her sein. Wenn die Polster nie gereinigt werden, entdecken unsere Spezialisten zudem Rückstände, die älter sind. Aber die Menge der Fasern, die man gefunden hat, deuten eher darauf hin, dass sie aus jüngster Zeit stammen.«
»Ne, tut mir leid. Da hab ich keinen Plan. Keine Ahnung. Ich fahr in der Regel allein mit der Kiste. Ein Auto ist für mich nichts weiter als ein Fortbewegungsmittel – ein ziemlich teures noch dazu.«
Die beiden Kriminalisten ließen ein paar Sekunden verstreichen, um Frenzel Zeit zum Nachdenken zu lassen. Doch der junge Mann schüttelte nur den Kopf und zuckte mit den Achseln.
Linkohr sah über die mit Akten hoffnungslos überladenen Schreibtische zu Kerstin hinüber, die anscheinend wie er nichts mehr fragen wollte. »Okay«, er entschied sich deshalb zu einem abrupten Themenwechsel. »Sie sind hier oben zu Studienzwecken?«
Frenzel war sichtlich erleichtert, auf etwas anderes angesprochen zu werden. »Studienzwecken – nein, so kann man das nicht bezeichnen. Sie wissen, ich studier Medizin – hab ich ja Ihren Kollegen schon zu Protokoll gegeben, und das hier ist eine ehrenamtliche Sache. Wir untersuchen das Paarungsverhalten von heimischen Insekten. Das ist vom Prinzip her nichts Neues. Aber ich möchte eine Dokumentation draus machen, eine Art Ausstellung für den übernächsten Sommer. Das Ding hier wird nämlich im Laufe des Jahres komplett ausgebaut und erweitert. Außerdem«, er verzog sein Gesicht zu einem Grinsen, »kann es nicht schaden, sich mit Stechmücken zu befassen. Ob Sie’s glauben oder nicht – aber es wird schon dran geforscht, einige Sorten gentechnisch aufzumotzen. Vor 20 Jahren bereits haben britische Forscher vorgeschlagen, sie als fliegende Spritzen zu verwenden – um sozusagen flächendeckend impfen zu können – gegen Malaria beispielsweise. Jeder Stich eine Impfung.« Frenzel schien in seinem Element zu sein. »Das geht natürlich nicht mit unseren heimischen Blutsaugern. Aber mit der Olivenfliege, der Asiatischen Tigermücke oder der
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