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Blutsauger

Blutsauger

Titel: Blutsauger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Bereitschaftsdienst. Wurde in irgendeiner Abteilung ein Arzt gebraucht, musste er erreichbar sein.
    »Bei mir ist’s noch erstaunlich ruhig«, sagte der kräftige Mann, der gut einen Kopf größer war als der eher schmächtige Salbaisi. Er verschränkte seine Arme vor der breiten Brust und blickte seinem Kollegen über die Schulter. »Wieder mal Röntgen«, stellte er beim Überfliegen des Textes auf dem Monitor fest.
    Salbaisi drehte seinen Stuhl zu dem Kollegen. »Es bleibt nichts anderes übrig. Wenn du’s nicht machst, zerren sie dich womöglich später vor den Kadi.« Salbaisi beherrschte die deutsche Sprache, als sei er hier geboren. Er sprach ein nahezu astreines Hochdeutsch.
    Moschin lächelte gequält. Sein schneeweißer Arztkittel bildete einen scharfen Kontrast zu seinem tiefschwarzen, vollen Haar. »Was machen unsere Faschingsnarren?«, wechselte er das Thema. Seine kräftige Stimme entsprach der hünenhaften Gestalt.
    »Verschon mich bitte damit. Zwei waren bereits da. Ich befürchte, dass die Suffköppe erst gegen Morgen hier auftauchen.«
    Moschin nickte. Er wollte noch etwas sagen, doch sein Piepser hielt ihn davon ab. »Ich muss weg«, äußerte er, obwohl diese Erklärung unter Kollegen überflüssig gewesen wäre. Unter der Tür traf er auf Brigitte, die einen älteren Herrn im Schlepptau hatte, der ziemlich mürrisch dreinblickte und die beiden Weißkittel misstrauisch betrachtete. Im Hinausgehen grinste Moschin seinem Kollegen zu: »Immer die Ruhe behalten, egal, was geschieht.«
    Salbaisi schüttelte bereits dem Missmutigen die Hand. Sie fühlte sich rau und feucht an.

4
    Es war eine jener finsteren Nächte, wie sie nur das winterliche Mitteleuropa hervorzubringen vermag: Ein böiger Wind trieb den feinen Schnee durch die Straßen. Der nasse Asphalt spiegelte das wenige Licht wider, das durch den Schnee den Weg zum Boden fand. Wer jetzt, lange nach Mitternacht, sein Haus nicht verlassen musste, kuschelte sich in eine warme Decke und genoss die behagliche Wärme – oder er hatte sich an diesem Samstag vor Rosensonntag ins närrische Treiben gestürzt, das am Nordrand der Schwäbischen Alb mancherorts eine seltsame Mischung aus rheinischem Karneval und oberschwäbischer Maskerade war. Beides war nichts für den Mann, der gerade den erleuchteten Haupteingang der Helfenstein-Klinik hinter sich gelassen hatte, um über einige Seitenstraßen zu dem abgelegenen Angestellten-Parkplatz zu gehen. Er sehnte sich jetzt nach Ruhe. Der Dienst hatte länger gedauert als erwartet, weil eine Geburt äußerst problematisch verlaufen war. Beinahe hätte er sogar den Chefarzt der Gynäkologie aus dem Schlaf geklingelt, bis sich herausgestellt hatte, dass die Komplikationen glücklicherweise kleiner gewesen waren als ursprünglich befürchtet.
    Er wünschte sich, weit weg zu sein. Irgendwo unter Palmen, in lauer Nacht, mit Freunden. Er dachte an seinen letzten Aufenthalt auf den Kanaren, an die Abende auf der Hotel-Terrasse, an das Schwimmen im Meer. Doch durch den langen, kalten Winter waren diese herrlichen Tage, die er im November dort verbracht hatte, bereits wieder in endlos weite Ferne gerückt. Der Mann, Mitte 30 und von sportlicher Gestalt, beschleunigte seine Schritte. Er war noch keine 100 Meter gegangen, vorbei an der langen Reihe der am Straßenrand abgestellten Autos, da verschwammen die Lichter der Lampen vor seinen Augen zu einem funkelnden Prisma, das sich auf den Brillengläsern gebildet hatte.
    Seine Hände tief in den Taschen seines dunklen Trenchcoats vergraben, wechselte er zwischen zwei geparkten Autos hindurch die Straßenseite und eilte weiter. Während all der Jahre, seit er Oberarzt an der Klinik war, nahm er nach dem Spätdienst immer denselben Weg durch dieses ruhige Wohngebiet weit abseits des Stadtkerns. Er sog die frische Luft tief in sich ein und versuchte, sich von den Gedanken an Patienten und deren Schicksale zu lösen. Er hatte ohnehin genügend eigene Sorgen. Noch vor Ostern, da war er sich ganz sicher, würde er eine Entscheidung herbeiführen, egal wie. Und wenn sie ihn dazu zwangen, würde er bis zum Äußersten gehen. Selbst auf die Gefahr hin, tief mit hineingezogen zu werden. Aber mit seinem Gewissen konnte er dies alles nicht mehr länger vereinbaren.
    In Gedanken versunken, erreichte er eine innerstädtische Hauptverkehrsstraße, die ihn an ein Trauerband erinnerte, das sich in beide Richtungen dahinzog. Leblos und trist. Auf dem nassen Asphalt spiegelte sich das

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