Blutsbande: Die Rachel-Morgan-Serie 10 - Roman (German Edition)
werde ich dich selbst plattmachen.« Ich wartete, während er mich stirnrunzelnd über den Schreibtisch hinweg betrachtete. »Bist du dir sicher, dass du bleiben willst?«
Sein Brummen reichte mir. Ich blickte von ihm zur Tür, weil ich mich fühlte als wären wir zwei Kinder, die in einer Scheune heimlich Doktorspielchen machten. Ivy und Jenks würden wütend sein. Ceri wäre sauer, weil ich sie nicht um ihre Hilfe gebeten hatte. Quen würde mich für dumm erklären, weil ich seine Unterstützung nicht in Anspruch nahm. Aber ich wollte keinen von ihnen in Gefahr bringen. Ivy und Jenks entwickelten sich ohne mich weiter, und das war gut. Ceri hatte ein ganzes Leben mit ihren Kindern vor sich, und das würde ich nicht in Gefahr bringen. Quen war ein Drache, jederzeit bereit, zu meiner Rettung geflogen zu kommen, aber trotzdem blieb ich in meiner Angst allein. Trent … Trent war gut genug, um zu helfen, und schlecht genug, um keine Krücke zu sein. Und was vielleicht noch wichtiger war: Ich wollte das allein machen. Trent konnte helfen, weil ich jemanden brauchte und er mich schließlich in diese Situation gebracht hatte. Da sollte er verdammt noch mal auch dabei sein, wenn ich mich daraus befreite.
Ich bekam Gänsehaut, als ich die Kappe und die Schärpe in seinen Händen erkannte. »Danke«, flüsterte ich, während ich mich daran erinnerte, wie die Linien mich rachsüchtig durchflossen hatten, als zwischen mir und der Energie der Schöpfung keine schützende Aura gestanden hatte. »Wird es wehtun?«
»Nein.« Mit einer schnellen Bewegung, die mich quasi dazu herausforderte, sein Aussehen zu kommentieren, setzte er die Kappe auf. Er schien so anders, dass ich nicht länger wusste, was ich denken sollte. Die Schärpe legte er sich um den Hals, sodass sie über seinem Kragen lag und vorne über die Brust hing. Sie schwang hin und her, als er seinen Stuhl so herum schob, dass er mir direkt gegenüberstand. Ich hätte die Kraftlinie fühlen und mit meinem zweiten Gesicht das Jenseits sehen sollen, aber innerlich war ich tot.
»Warum bin ich überhaupt hier, wenn du mich nichts machen lässt?«, grummelte er, als er sich hinsetzte. Seine Knie waren nur Zentimeter von meinen entfernt.
Inzwischen zitterte ich so heftig, dass er es bemerken musste, aber ich konnte nichts dagegen machen. Und ich sollte zittern. Warum war er hier? Weil er stark genug war, um mir den Rücken zu decken, und doch schwach genug, um mich das Problem selbst lösen zu lassen. Aber das konnte ich ihm nicht sagen.
»Gib mir deine Hände«, befahl er. Ich suchte hektisch seinen Blick, und in seinen Augen war deutlich zu lesen, wie dringend er es tun wollte. Er brannte darauf, Al die fehlenden Finger zurückzuzahlen; brannte darauf, dem Dämon zu beweisen, dass er kein Fußabtreter, kein Vertrauter, kein Gebrauchsgegenstand war, sondern jemand, den der Dämon ernst nehmen musste. Gott, ich wusste genau, wie er sich fühlte. Wie sollte ich ihn am Leben erhalten?
Ich schob meine Finger in seine und wir hielten uns die Hände, während meine Knöchel auf dem kühlen Glas des Anrufungsspiegels lagen. Seine Hände waren kalt, meine zitterten. Er drückte für einen Moment meine Finger, sodass ich zu ihm aufsah.
»Lass nicht los, bevor ich es dir sage«, erklärte er, während ich ihn überrascht anstarrte. Aber er hatte bereits die Augen geschlossen und seine Lippen formten die Worte einer Sprache, die weder Latein noch Englisch war. Die Silben glitten über mein Bewusstsein wie weiches Eis, kalt und betäubend, hoben und senkten sich melodisch wie ein ungesungenes Lied, der Wind in den Blättern, das Wachstum von Bäumen in der Sonne. Hypnotisierend.
Trent öffnete die Augen als hätte er meinen Blick gespürt. »Sha na tay, sha na tay« , intonierte er. »Tunney metso, eva na calipto, ta sowen.«
Meine Augen wurden groß und ich packte seine Finger fester. Plötzlich merkte ich, dass sich in meinem Chi etwas rührte. Ich versteifte mich, als ein schmerzhafter Zug durch mich ging. Es war wie die wunderbare Qual, wenn der Schorf sich löst, um neue Haut freizugeben, die dann im ersten Windhauch schmerzt. Kraftlinienenergie glitt in mich wie flüssiges Licht. Verführerisch langsam sickerte sie in mein Bewusstsein und traf eine Synapse nach der anderen.
Ich keuchte, als ich plötzlich verstand, dass sie wie Trents Seele schmeckte. Es war seine Energie, die sich in immer höher schlagenden Wellen in mich ergoss. Panisch sah ich Trent an. Er hatte
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