Blutsbande: Die Rachel-Morgan-Serie 10 - Roman (German Edition)
Glenn wusste genau, dass ich kein bisschen übertrieben hatte.
»Ähm, ich hole die Schlüssel«, sagte der Kurator, griff blind hinter den Schalter und zog einen Schlüsselbund heraus. »Ich habe einen Schlüssel für jede Tür.«
Direkt am Empfang , dachte ich. Die Sicherheitsvorkehrungen waren ja eher schwach. Aber wer sollte sich auch mit dem Zeug hier aus dem Staub machen wollen?
Mr. Calaway ging mit schnellen, unsicheren Schritten zum Eingang des Museums. Glenn packte meinen Ellbogen und schob mich vorwärts. Sein Griff war ein wenig zu fest. Er war nicht glücklich mit mir, aber das war mir egal. Wayde hielt sich hinter mir, während Nina vor uns ging. Ihre Augen huschten ständig umher und schätzten alles ab.
»Das ist der Hauptausstellungsraum«, erklärte der Mann, als wir nacheinander durch das Drehkreuz glitten und einen großen, vier Stockwerke hohen Raum betraten. Von hier aus verteilten sich die Führungen. Meine Augen blieben an der Blockhütte in der Mitte des Raums hängen. Während der Kurator in seinen geübten Vortrag verfiel als wären wir nur eine neue Ladung Touristen, starrte ich die Hütte an und fragte mich, was meine Aufmerksamkeit erregt hatte – abgesehen davon, dass es ein Haus in einem Haus war.
»Das ist unheimlich«, sagte ich zu Wayde, als ich die Plakette las und feststellte, dass diese Hütte einst in einer Scheune gestanden und als vorübergehendes Gefängnis für Sklaven gedient hatte, die verkauft werden sollten. »Irgendetwas stimmt nicht«, schob ich hinterher, als ich weiterlas und erfuhr, dass die Hütte aus erzieherischen Gründen hier aufgebaut worden war. Kinder rannten rein und raus als wäre es ein Spielplatz, während ernsthafte Erwachsene sich bemühten, die Gräueltaten zu begreifen, für die sie stand. Und trotzdem … irgendetwas stimmte nicht.
Nina kam auf mich zu. »Das ist eine Fälschung«, sagte sie leise, die Augen auf das Dach der Hütte gerichtet.
Ich sah sie an, genauso wie Wayde, sodass nur Glenn noch dem Kurator zuhörte und sich ab und zu bemühte, ein Wort einzuwerfen, um die Sache voranzutreiben.
Nina zuckte mit den Schultern. »Sie hat keine Moulage«, sagte der Vampir, ohne den Blick von den dicken, dunklen Balken abzuwenden. »Es ist eine Fälschung, eine Replik.«
»Aber Moulages verblassen mit der Zeit und unter der Sonne«, meinte ich. »Und das Ding hier ist uralt.«
»Uralt? Nein.« Nina berührte die Balken. Sie waren anscheinend künstlich geschwärzt worden, nicht mit Blut, wie es auf der Plakette stand. »Aber etwas in der Art – etwas, das gebaut wurde, um Leute gegen ihren Willen festzuhalten, um Leben, Seelen und Ängste gefangen zu halten – nimmt gewöhnlich Gefühle auf wie ein Schwamm und hält sie fest.« Nina verzog das Gesicht und schaute zum Schornstein. »So etwas würde die Gefühle für lange Zeit speichern, und das hier strahlt nicht das Geringste aus.«
Eine Banshee könnte sie aufgesogen haben , dachte ich, aber dann verwarf ich den Gedanken. »Eine Fälschung?«, fragte ich. Ich fand es nicht richtig, dass sie es einfach als das Original ausgaben.
Ninas Blick wanderte über meine Schulter, und ich zuckte zusammen, als Glenn mich berührte und fragte: »Rachel? Wohin?«
Ich atmete einmal tief durch. Ach ja. Ich nahm das Amulett, hielt es auf Höhe meiner Brust und ging einmal im Kreis. Es gab nur eine Richtung, in der das Leuchten heller wurde, einen Servicebereich ohne irgendwelche Schilder. Ich zeigte auf eine große Tür ohne Fenster, die in derselben Farbe angestrichen war wie die Wände. »Dort.«
Mr. Calaway drängelte sich fast erleichtert an mir vorbei. »Die führt in den Forschungsbereich«, sagte er und kämpfte mit seinem Schlüsselbund, bis er sich schließlich blinzelnd einen Schlüssel vors Gesicht hielt. »Der hier, denke ich.« Er schob ihn ins Schloss, öffnete die Tür, hielt sie für uns offen und schaltete das Licht an. Dahinter lag ein vollkommen normaler Flur mit weißen Fliesen und langweiligen Wänden. Vielleicht ein bisschen breit, aber trotzdem nichtssagend. »Sue!«, rief er, und seine Stimme hallte in dem hohen Raum wider. »Wir gehen nach unten. Ich bin gleich zurück! Verschließ die Türen und lass die Leute einfach nach und nach gehen.«
Die Frau am Schalter spähte kurz um die Ecke. »Ja, Sir.«
»Was ist mit Ivy und Jenks?«, fragte ich, weil ich sie nicht ausschließen wollte, aber gleichzeitig gespannt war, worauf das Amulett reagiert hatte. Wieso brauchten sie
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