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Blutsbraeute

Blutsbraeute

Titel: Blutsbraeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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sogar mindestens zwei Kameras. Eine habe ich gesehen, als sie mich in den Raum hineingebracht haben. Sie stand auf einem Stativ; ich habe darin mein Spiegelbild gesehen. Die andere stand auch auf einem Stativ. Zuerst musste ich Stiefel anziehen – mit sehr hohen Absätzen, ich konnte darin gar nicht richtig stehen. Und dann hat alles angefangen. Aber den anderen Mann, den habe ich aus der Zimmerecke kommen sehen, wo es
dunkel war. Er hatte auch eine Kamera in der Hand.« Sie machte eine Pause. Jetzt, wo die Berge den Lichterteppich der Großstadt verbargen, war es sehr dunkel.
    Â»Ich habe im ersten Moment geglaubt, er würde mir helfen!« Whitney lachte bitter auf. Es klang eher wie ein Schluchzen.
    Â»Wer war das?«, fragte Clare.
    Â»Ein Regisseur. So haben sie ihn genannt. Er hat ihnen gesagt, was sie mit mir machen sollen. Er kam ganz nahe an mein Gesicht heran, als sie …«, sie legte die Hand auf den Mund und nahm sie wieder weg, »… als sie mir wehgetan haben. Mein Gesicht dabei hat ihm gefallen. Dann hat er ihnen gesagt, dass sie es noch einmal machen sollen, damit er es auch filmen kann.«
    Schneidematerial, dachte Clare. Vergewissere dich beim Drehen immer, dass du genug Schneidematerial hast. Sie umklammerte das Lenkrad und richtete den Blick auf die weißen Striche, die Markierungen der Straßenmitte. Sie zählte sie. Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Das beruhigte sie etwas. »Hast du ihn gesehen?«
    Â»Ich sehe ihn ständig. Ihn sehe ich ständig vor mir.« Whitneys Zorn entlud sich. Dann sackte sie wieder im Sitz zusammen. »Aber sein Gesicht habe ich nicht gesehen. Er trug eine Kapuze. Eine blaue Kapuze mit Löchern für die Augen und den Mund.« Sie schwieg so lange, dass Clare sich fragte, ob sie sich in sich zurückgezogen habe.
    Â»Weshalb, Clare? Warum haben sie das getan? Warum haben sie es gefilmt? Davon wird mir schlecht. Dass sie mir das angetan haben und dass es jetzt jeder anschauen kann. Das ist ein Gefühl, als ob es immer wieder, immer
wieder geschieht. Und ich kann überhaupt nichts dagegen unternehmen, weil sie es auf einem Video haben.«
    Clare wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie fuhr langsamer, damit sie die Ausfahrt nicht verpasste. Sie bog auf den gefurchten Feldweg ein. Die Lichter aus den Vorderfenstern des Cottages leuchteten jäh in der Dunkelheit auf.
    Â»Hier bist du sicher, Whitney. Die Frau, die hier wohnt, wird sich um dich kümmern. Und sie wird dich in Frieden lassen. Wenn du im Haus bleibst, bis alle in die Plantage gegangen sind, weiß niemand, dass du hier bist.« Whitney reagierte nicht. Die Anstrengung, sich ihre grauenhaften Erlebnisse in Erinnerung zu rufen, hatte sie völlig erschöpft. Sie drückte sich den Rucksack an die Brust. Darin zeichnete sich unter dem billigen rosa Stoff Clares Buch ab. Clare griff hinüber und strich über den Buchrücken.
    Â»Hast du es gelesen?«, fragte sie. Whitney nickte, sagte aber nichts. Sie waren da. Clare parkte unter der riesigen Eiche, neben der das weiße Landarbeitercottage winzig wirkte. Die Tür ging auf, und warmes, gelbes Licht flutete in die Finsternis.
    Dinah de Wet stand breit im Türrahmen. Ihre Schultern waren kräftig vom jahrelangen Pflücken, Bäumebeschneiden und dem Herumtragen von Kindern anderer Leute. Ihr Körper fühlte sich weich an, als sie Clare umarmte. Sie wandte sich Whitney zu. Das Mädchen zog sich tiefer in den Sitz zurück.
    Â»Kom binne, my kind. « Ihre gutturale Stimme war sanft, hatte den Ton, in dem man mit einem nervösen Welpen oder einem quengelnden Baby sprach. Sie griff
nach Whitneys Hand. »Komm. Ich zeige dir dein Zimmer.«
    Whitney gelang es nicht, sich loszumachen, also kapitulierte sie und ging mit Dinah ins Haus. Clare folgte. Dinahs Teller und ihre Tasse standen im Spülbecken. Ein Kaminfeuer hieß sie willkommen. Dinah brachte Whitney in das Zimmer, das vom Wohnzimmer aus zu erreichen war.
    Â»Du schläfst hier, meine Kleine. Ich schlafe dort.« Sie zeigte auf das Wohnzimmer. »Wenn dir kalt ist, darfst du zu mir kommen.«
    Whitney musterte ihr neues Zimmer. Auf dem Einzelbett lag eine gehäkelte Tagesdecke in Blau und Rosa. Ein Teddybär, der ein rotes Satinherz an sich drückte, saß auf dem Kissen. An Nägeln an der Wand hingen leere Bügel für Kleider, die Whitney nicht mitgebracht hatte. Auf dem Fenstersims

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