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Blutsbraeute

Blutsbraeute

Titel: Blutsbraeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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offen, jedes Bild unendlich oft reflektiert. Eine vielfach gebrochene Wiederholung ihres Schwindelanfalls. Sie hatte verzweifelt nach der Tür gesucht, durch die sie hereingekommen war, aber sie war verschwunden. Clare hatte versucht, sich in der zeitlupenhaften Horrorzeit des Albtraums damit zu beruhigen, dass sie ihr Spiegelbild zum Wegschauen zwingen wollte. Sie war nackt, voller Scham darüber, dass ihr Körper entblößt dem grellen Licht ausgesetzt war und wie der Körper einer Hure wirkte. Als sie ihre Blöße bedecken wollte, merkte sie, dass ihre Hände mit einem blauen Seil gefesselt waren. Sie wollte schreien, aber es kam kein Ton. Indem sie den Mund aufmachte, sah sie, dass sie keine Zunge hatte. Sie setzte sich auf und schaltete die Nachttischlampe ein, beruhigte ihre Atmung. Sie versetzte sich zurück in den Albtraum, während er verblasste.
In dem Spiegelsaal war ein Gespenst bei ihr gewesen. Über ihrem Spiegelbild hatte die Silhouette eines Mannes mit einer Kamera geschwebt. Hatte ihre Scham und ihr Entsetzen gefilmt. Ihre Hände waren genauso schmerzhaft gefesselt gewesen wie die der toten Mädchen. Sie bog die Finger durch und strich dann das Bett glatt, wo Riedwaan gelegen hatte. Der Abdruck seines Körpers war schon kalt. Die Berührung seiner Hände hatte ihr Körper noch gespeichert, aber im Moment war sie froh darüber, dass sie allein war.
    Â»Sie haben einen Film mit mir gemacht. Ich musste die Männer anbetteln wie ein Hund, dass sie mir wehtun sollten«, hatte Natalie Mwanga ihr erzählt.
    Clare schob die Decke weg und ging ins Wohnzimmer. Das Video, das sie bei King hatte mitgehen lassen, steckte noch im Rekorder. Sie drückte auf die Abspieltaste und sah das Video bis zum bitteren, erniedrigenden Ende an. Clare war ausgekühlt und ging zurück ins Bett. »Da war jemand, der zugeschaut hat. Der ihnen gesagt hat, was sie machen sollten. Ein Regisseur.« Whitneys leise Stimme flüsterte Clare in der Dunkelheit zu: »Warum?« Clare wusste keine Antwort. Sie sank in einen unruhigen Schlaf, bis zur Morgendämmerung.

40
    Whitney wartete, voll angezogen und hellwach, auf das Schrillen der Sirene durch das Tal. Es kam, pünktlich wie immer, und rief Dinah de Wet aus der Wärme ihres
durchgelegenen Bettes. Whitney lag unter der Decke, hörte Dinah husten. Das Wasser für Dinahs Tee kochte, der Toaster bräunte ihre Scheibe Weißbrot. Dann schlug die Tür zu. Whitney hörte, wie die gedämpften morgendlichen Zurufe sich entfernten. Ein Traktor sprang an, brachte alle zur Arbeit.
    Als es wieder still wurde, stand Whitney auf. Sie kochte sich Kaffee, um ihn sofort zu trinken, und strich sich Marmeladebrote für später. Sie dachte daran, einen kurzen Brief zu schreiben. »Dankie Tannie Dinah, vir alles …« , hätte sie gern geschrieben. Aber sie unterließ es. Stattdessen griff sie nach ihrem gepackten Rucksack und ging zur Tür. Sie wollte weg sein, bevor es heller wurde. Es war niemand zu sehen. Sie schlüpfte zwischen den tagsüber normalerweise leeren Gebäuden hindurch und fand den Pfad, der um das Wehr herum verlief und zum Feldweg führte. Hier ging sie schneller, die Hände tief in den Taschen, den Kopf gegen den Wind gesenkt. Sie fror.
    Drei Kilometer weiter ging der Feldweg in eine geteerte Straße über. Hier wandte sie sich nach Westen, im Vertrauen darauf, dass ihr Herz sie leitete. In ihrem Rücken war jetzt die Sonne aufgegangen. Sie schien nur schwach, wärmte Whitney überhaupt nicht. Sie überquerte die N2 und schlug eine Straße ein, die um Cape Town herumführte. Sie hatte sich den Weg nach dem alten Schulatlas eingeprägt, der einmal Dinahs Sohn gehört hatte. Sie war seit über einer Stunde unterwegs, als ein Kleinlaster neben ihr hielt. Sie musterte ihn misstrauisch. Es saß nur ein Mann darin.
    Â»Wo gehst du hin, Mädchen?«, fragte er. Er war nett. Ein Farmer, nahm sie an.

    Â»In die Nähe von Malmesbury«, antwortete sie. Sie stand neben dem Beifahrerfenster, das er aufgemacht hatte.
    Â»Komm, meisiekind. Es ist blerrie kalt draußen. Ich nehme dich mit.« Er machte die Tür auf. Whitney schaute auf die Straße, die vor ihr lag. Es war weit. Sie stieg ein, nahm den Rucksack auf den Schoß.
    Â»Ich bin Johan«, sagte er und machte das Radio wieder an.
    Â»Hi«, sagte sie. »Danke.« Die Wärme des geheizten

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