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Blutsbrüder

Blutsbrüder

Titel: Blutsbrüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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nicht.«
    »Sondern?« Das Misstrauen in Hakans Stimme ist nicht zu überhören.
    Für einen Moment meint Darius wieder, hoch über den Häusern zu schweben, sieht sich und den Freund auf dem Gehweg stehen, einander gegenüber, wie eine Insel, ein Hindernis inmitten der Passanten, die ihnen ausweichen müssen, wenn sie von der Bushaltestelle zu dem Ampelüberweg gehen oder auch nur geradeaus auf dem nicht sehr breiten, belebten Bürgersteig.
    Die Sonne steht tief und bricht sich in den Fenstern der Fassaden. Die Menschen kommen noch von der Arbeit oder gehen schon in die Cafés, die Biergärten, um das warme Wetter zu genießen. Darius spürt die Luft, wie sie weich am Gesicht vorbeistreicht. Er riecht aus einem Abluftgitter den Geruch der U-Bahn, spürt die nahende Erschütterung der Bahn unter dem Pflaster.
    »Ich bin dabei«, sagt er leise. »Klar bin ich dabei. Egal, was du noch austüfteln wirst, auf mich kannst du zählen. Das weißt du j a … nur eigentlich«, Darius scharrt mit den Schuhsohlen an der Rinnsteinkante, belastet unbehaglich den einen, dann den anderen Fuß, zermahlt mit dem Absatz eine Zigarettenkippe, »eigentlich weiß ich wirklich nicht, was ich von dem Ganzen halten soll.«
    »Welchem Ganzen?«, fragt Hakan betont arglos.
    Dabei lächelt er, verzieht nicht nur die Lippen, sondern lacht auch mit den Augen. »Wir schauen doch erst mal nur, schauen uns um! Beobachten, was so passiert. Wir machen uns ein Bild, verstehst du? Wir untersuche n – und danach gucken wir mal.«
    »Ich weiß nicht«, murmelt Darius.
    Und denkt: Jan-Niklas so derbe rauszukicken, das war alles andere als okay. Und dann hat Tomtom schon Recht: Deutsche gegen Türken, Polen gegen Arabe r – was soll das? Was soll daraus werden? Wenn’s mal zur Sache geht?
    Doch ehe er etwas einwenden kann, fährt Hakan gut gelaunt fort: »Du musst auch gar nicht wissen . Du sollst sogar nicht wissen. Du sollst nur offen sein. Unvoreingenommen.« Und unvermittelt fügt er hinzu: »Wir, du und ich, wir können einander doch vertrauen, oder? Das war doch immer so.«
    Und dann verabschiedet er sich mit einer Umarmung, einem Küsschen links und einem rechts, biegt um die nächste Straßenecke, während sich Darius auf der Umfriedung einer Rabatte niederlässt und ihm zweifelnd nachschaut.
    ***
    Für den Anfang bilden sie Teams: Hakan und Alina, Cora und Marvin, Simon und Darius.
    Darius ist ausgesprochen unzufrieden mit der Einteilung, sagt aber nichts.
    Simon ist ihm nicht sympathisch, im Gegenteil, er mag ihn nicht. Er hält ihn für jemanden, der sich nach der Mehrheit richtet, der weder mutig ist noch besonders klug. Der sich gegenüber den Mädchen zu oft auf seinen Hundeblick verlässt.
    Mehr noch bedauert es Darius, nicht zusammen mit Hakan losziehen zu können: als würden sie wieder wie früher, nach der Schule oder dem Fußballspielen, die Stadt erkunden. Manchmal versponnen in eine Unterhaltung über Computerspiele, oft auch ohne zu reden, dennoch getragen von einem Einverständnis, das Darius seit einiger Zeit vermisst.
    Okay, denkt er, wir werden ja sehen.
    Simon und er sind mit Monatskarten ausgerüstet und fahren in den fraglichen Vierteln auf den bekannten Linien Bus oder U-Bahn, seltener Tram oder S-Bahn. Zunächst geschieht wenig. Hin und wieder treffen sie auf Gruppen von Jugendlichen, die laut sind, sich an die Stangen der U-Bahn-Waggons hängen, ein bisschen grölen, aber weder pöbeln noch jemandem zu nahe treten.
    Meist sind es erwachsene Deutsche, fast immer ältere Männer, die anfangen zu schimpfen. Nie entwickelt sich daraus ein Streit. Die Jugendlichen lachen und verlassen die Bahn.
    Als Darius und Simon ihre Fahrten am Abend des ersten Tages einstellen und durch einen Park nach Hause laufe n – es ist warm, auf den Bus hätten sie über zwanzig Minuten warten müsse n –, beginnt Simon unverhofft zu reden.
    Er erzählt, dass er umziehen und wahrscheinlich eine andere Schule besuchen wird, weil seine Eltern sich trennen und er bei seiner Mutter wohnen soll. Er beschreibt die Atmosphäre dauernder Streitereien, die Vorwürfe, die sich seine Eltern gegenseitig machen, erwähnt die Geldknappheit und die heftigen Auseinandersetzungen darübe r – und am Ende betont er, zögernd und unterbrochen von längeren Pausen, wie wichtig ihm die Gruppe gewesen sei.
    »Weißt du«, sagt er, »ich bin ja nicht gut in der Schule. Auch nicht im Sport. Geld habe ich auch nie. Den meisten bin ich unsympathisch, den Jungen vor

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