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Blutsbrüder

Blutsbrüder

Titel: Blutsbrüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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andere in den Bauch geboxt worden. Die Zeitungen schreiben darüber: Arabische Schüler verweigern jüdischer Schülerin das Betreten der Schule, Polizeieinsatz. Türkische Schüler reservieren Schuleingang nur für ihresgleichen, niemand anderer darf rein. Türkische Jungen machen sich einen Sport daraus, deutsche Jungen abzuziehen: Handy, Jacke, Geld. Gymnasiasten klatschen. Kennen wir alles. Trotzdem.«
    Verlegen zieht er ein Blatt aus der Tasche und murmelt befangen: »Ich hab mir da was aufgeschrieben. Wär sonst zu nervös gewesen, deshalb.«
    Als er beginnen will, den vorbereiteten Text von seinem Zettel abzulesen, fällt ihm Hakan ins Wort: »Warte!«
    Er wendet sich an Alina, deren Miene abweisend wirkt. Darius vermutet, sie hat nur darauf gewartet, dass Jan-Niklas zu reden beginnt. Hakan nickt ihr zu.
    »Warte!«, bekräftigt Alina.
    Ihre Schärfe gegenüber Jan-Niklas lässt Darius schaudern. Deshalb, denkt er, war sie vorhin so zittrig, so nervös. Sie wollte, dass Hakan Jan-Niklas auffordert, etwas zu sagen. Aber warum? Er sucht Hakans Blick, doch der schaut in eine andere Richtung.
    »Es sind bloß noch drei Wochen.« Alina stößt die Worte unangemessen brüsk hervor. »Nur noch drei Wochen bis zu den Sommerferien. Soweit ich weiß, gehst du mit dem letzten Schultag nach England. Um dich einzugewöhnen und um einen Sprachkurs zu belegen und um im nächsten Schuljahr an einer Privatschule, die deine Eltern mächtig was kostet, deinen Abschluss zu machen. Der dich für Oxford oder Cambridge qualifizieren soll.«
    »Stimmt das?«, fragt Marvin verblüfft.
    Jan-Niklas nickt. Ein Coup, denkt Darius, ein Coup! Alle im Raum schweigen. Bis Cora in die Stille hinein sagt: »Und obwohl das so ist, willst du dich bei uns noch mit deinem Zettel, mit deiner Erklärung hervortun?«
    »Das is t … interessant«, fügt Marvin hinzu, während er sich langsam erhebt, »ich koch uns jetzt mal neuen Tee. Und Milchkaffee, ja?« Er registriert Hakans Nicken, huscht zur Tür und macht sich auf den Weg in die Küche.
    »Dann lies mal vor«, sagt Cora.
    Simon, der einige Sekunden gebraucht hat, um die neue Situation zu begreifen, fügt unsicher an: »Da s … das interessiert mich auch.«
    Kurz hat Darius den Eindruck, Jan-Niklas werde den Text trotz der Unterbrechung vorlesen. Er werde auf seiner Meinung bestehen, werde seine und offenbar auch Tomtoms Ansicht äußern, um die Gruppe umzustimmen. Doch dann schüttelt er den Kopf, faltet den Zettel zusammen, schiebt ihn zurück in seine Tasche und schaut sich im eigenen Zimmer um, als sehe er es zum ersten Mal.
    Er blickt niemanden Bestimmten an, als er unangenehm ruhig sagt: »Nein, lasst mal. Das hat keinen Zweck mehr.«
    »Damit hast du Recht«, knurrt Alina. Und an die anderen gewandt: »Wenn er nach England gehen will, ist das seine Entscheidung. Nur ist er dann dor t – und nicht mehr hier.«
    Jan-Niklas mustert sie lange.
    »Du und Hakan, ihr begeht einen Irrtum. Und es ist schade, Darius, dass du dazu nichts sagst.«
    Darius, der sich schon seit einiger Zeit vorkommt wie gefangen, zuckt zusammen. Er spürt, dass alle Blicke auf ihm ruhen. Die Traurigkeit und der Ernst in Jan-Niklas’ Stimme beeindrucken ihn. Er fühlt sich unbehaglich, weil es ihm vorkommt, als vermische Hakan das politische Thema mit einem privaten Zwist. Doch trotz der Empfindung, Jan-Niklas zu verraten, entgegnet er mit einem Bedauern, das ihn ganz auszufüllen scheint: » Ich möchte mir jedenfalls anhören, was Hakan zu sagen hat.«
    Wieder sind alle für einige Momente still. Dann kommt Marvin mit Tee und Milchkaffee zurück, stellt das Tablett behutsam ab, und nun erst sagt Alina, als sei sie grenzenlos erschöpft: »Geh doch an dein College!«
    Jan-Niklas’ Gesicht versteinert. Er drückt die Klinke der Zimmertür mühsam herunter und erwidert, indem er sich abwendet: »Klärt eure Angelegenheiten, aber klärt sie bitte schnell. Und dann verschwindet aus meiner Wohnung.«
    Mit einem Ruck schließt er hinter sich die Tür zu seinem Zimmer. Schlagartig merkt Darius, wie sehr ihn der Weggang von Jan-Niklas bedrückt.
    »Gut«, sagt Hakan nach einiger Zeit. »Nein«, korrigiert er sich, »nicht gut, aber immerhin herrscht nun über manches Klarheit.«
    Mag sein, denkt Darius, bloß was haben wir davon?
    Marvin rührt verbissen in seiner Teetasse, Simon zuckt unsicher die Schultern.
    »Falsch. Alles falsch!« Tomtom, der sich von seinem Schrecken über Jan-Niklas’ Verschwinden kaum zu erholen

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