Blutsbrüder
allem, keine Ahnung, wieso. Aber so isses nun mal. Und die Grupp e … Obwohl ich ja eher, war mir von Anfang an klar, am Rand mitgelaufen bin, die Gruppe war etwas Großes. Erlesen. Etwas ganz Außergewöhnliches. Nichts hätte ich mir mehr gewünscht, als dass wir weiter gemeinsam bei Cora und Marvin gesessen und beraten hätten. Plakatentwürfe. Milchkaffee. Danach ins Freibad. Zu einer Party. Leide r … na ja, wir bemühen uns zwar noch, abe r … leider ist es vorbei.«
Bevor Darius etwas erwidern kann, verabschiedet sich Simon, indem er die Hand hebt, und verschwindet in einem fast unsichtbaren Parkweg, der überwölbt wird von einem in der Dunkelheit stark riechenden, weiß blühenden Gebüsch.
Am zweiten Tag, an dem sie unterwegs sind, kommt keiner von ihnen auf das Gespräch am Vorabend zurück. Sie sitzen auf dem Oberdeck eines Doppeldeckerbusses, nachmittags, kurz vor fünf. Vorn bei der Panoramascheibe sitzen zwei Mädchen. Blond, mit Palästinensertuch, Kapuzenshirt. Die eine trägt auf dem schwarzen Pullover den Totenkopf von St . Pauli . Ungefähr in der Mitte fläzen sich drei türkische Jugendliche breit auf den Bänken. Einer der drei hört laut Musik, türkischen Hip-Hop, anscheinend mit einem MP3-Player oder einem iPod. Ziemlich weit hinten sitzen Simon und Darius.
Der Bus bremst. Der Bus fährt an. Niemand kommt aufs Oberdeck. Keiner der Fahrgäste verlässt es.
Als der Bus vor einer Ampel hält, dreht sich das Mädchen mit dem Totenkopf um und sagt zu dem größten der drei türkischen Jungen: »Könntest du mal bitte die Musik leiser machen?«
Jetzt erkennt Darius, dass auch das Mädchen einen kleinen Lautsprecher im Ohr hat. Der andere Knopf steckt unter den langen blonden Haaren ihrer Freundin.
Der Junge springt auf, zerrt sich seine Kopfhörer aus den Ohren und grunzt: »Was willst du?«
Simon setzt an, etwas zu sagen. Darius hält ihn zurück.
Einer der beiden anderen türkischen Jungen ist ebenfalls aufgestanden.
Der dritte scheint die Freunde beruhigen zu wollen, aber er weiß nicht wie.
»Was soll das?«, fragt das angesprochene Mädchen. Sie wirkt weder furchtsam noch aggressiv. »Ich hab dich nur gebete n …«
»Du!« Der Junge geht langsam auf das Mädchen zu. Die Ampel schaltet auf Grün. Der Bus ruckt an. »D u …!«, sagt der Junge noch einmal.
Der Bus fährt um eine Kurve und der Junge kippt um. Das Mädchen mit den langen blonden Haaren, auf deren Kapuzenpullover das Logo einer Londoner Universität gerade noch zu erkennen ist, lacht, als der Junge auf den Sitz fällt. Auch das Mädchen mit dem Totenkopf kann ein Grinsen nicht unterdrücken.
»Du Fotze!«
Mit einem Sprung ist der Junge wieder auf den Beinen. Mit einem weiteren Sprung ist er bei dem Mädchen und stößt sie mit dem Handballen hart gegen die Schulter.
Das Mädchen hat den Stoß oder etwas Ähnliches erwartet. Sie taumelt nicht und dennoch verzieht sie vor Schmerz das Gesicht.
Mit dem Handrücken schlägt sie dem türkischen Jungen auf die Wange. In dem Moment hat Darius das Oberdeck des Busses durchquert und den Jungen sowie die Mädchen erreicht.
Er packt den Jungen am Ohr, verdreht es mit einem Ruck, zwingt ihn so in die Knie, tritt dem zweiten Jungen, dem Freund, der zu Hilfe eilen will, mit dem Fuß in den Unterleib, sodass ihn der Schmerz zurück auf die Bank sinken lässt, erkennt, dass der dritte Junge sitzen geblieben ist und guckt wie ein begossener Pudel. Offenbar hat er nicht die Absicht, ins Geschehen einzugreifen.
Mit einem weiteren Ruck zerreißt Darius die dünne Halskette des Jungen, der zu seinen Füßen kniet und wimmert, noch ohne zu begreifen, was ihm passiert ist.
Darius bekommt das Musikabspielgerät in die Hand, hält es dem Jungen vors Gesicht und sagt, während die Mädchen unwillkürlich nicken und zugleich den Kopf schütteln: »Sie haben dich gebeten, die Musik leiser zu stellen.«
Dann zermalmt er das kleine, aber teure Gerät unter dem Absatz. Kein Hip-Hop mehr. Der Bus hält an einem belebten Platz.
»Wir steigen aus«, sagt Darius.
Den Mädchen bedeutet er, ihm zu folgen.
Die türkischen Jungen weist er an: »Ihr bleibt hier oben, fahrt weiter.«
Als der Bus wieder anruck t – keiner der Jungen schaut zum Platz hin aus dem Fenste r –, verabschieden sich die Mädchen rasch. Sie sehen weder Darius noch Simon ins Gesicht, als die eine leise und eher unwillig sagt: »War gut, dass ihr da gewesen seid. Aber den Player zu zertreten, das war übel. Ziemlich
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