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Blutsbrüder

Blutsbrüder

Titel: Blutsbrüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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mies.«
    Darius zuckt die Schultern, packt Simon am Arm und verschwindet mit ihm in einer Passage, die er schon vom Bus aus gesehen hat und deren drei Ausgänge er kennt.
    Erst als sie eine Grünanlage durchquert und eine nahe U-Bahn-Station erreicht haben, findet Simon seine Sprache wieder. Er betrachtet Darius mit einer Mischung aus Scheu und Bewunderung. Mit einem Unterton, in dem ein gewisser Neid anklingt, fragt er ihn, woher er das könne.
    »Von früher.«
    Darius blickt Simon an, überlegt, ob er weiterreden soll, denkt unvermittelt an das Sezieren des Fisches und murmelt ohne Überzeugung: »Ist nichts Besonderes. Nichts Erstrebenswertes.«
    »Aber es hilft«, sagt Simon. Sanft fügt er hinzu: »Bloß uns hilft es nicht mehr.«
    Sie trennen sich rasch, nachdem sie sich flüchtig voneinander verabschiedet und nicht mehr angesehen haben.
    Am nächsten Morgen wird Simon krank sein und in der Schule fehlen.
    Als Darius nach Hause komm t – diesmal ist sein Vater nicht d a –, schaut er nur schnell nach seinen Kaninchen. Danach zieht er sich zügig aus, reißt sich die Kleidung vom Körper und geht ins Bad.
    Er duscht lange und ausgiebig. Erst als er eine Weile unter dem heißen Wasserstrahl gestanden hat, spürt er, wie der vertraute Ekel, das Würgen, die Empfindung, die er kennt, langsam von ihm abfällt. Selten zuvor hat er das Gefühl als derart widerlich empfunden, die Abscheu vor sich selbst als ähnlich groß.
    Während er sich einseift und mit einem Ohr darauf hört, ob sein Vater wiederkommt, ob er dessen tastenden Schlüssel im Schloss der Wohnungstür hört, denkt er: So geht es nicht weiter. Ich will nicht mehr. Außerdem ist es sinnlos.
    Ich empfinde keine Furcht. Ich habe keine Angst. Vielleicht hat Alina Recht gehabt. Für mich ist alles wie der Fisch, der vor mir liegt und den ich mit genauen Schnitten auseinandernehme, ohne dass etwas in mir davon berührt wird.
    Darius stellt das warme Wasser aus und beginnt sich abzutrocknen. Während er das Bad verlässt, die Haare achtlos frottiert, den Oberkörper wieder und wieder abreibt, während er nackt durch die Wohnung wandert, nun ohne auf Schritte im Treppenhaus zu horchen oder auf Geräusche an der Wohnungstür, meint er mit einem Mal zu wissen, was er will.
    Ich muss weg, denkt er, raus aus allem.
    Vielleicht wird dann alles wieder wie während des ersten Sommers, damals mit den Freunden, leicht und unbeschwert.

5
    Darius hat wieder in der Wohngemeinschaft angerufen und gefragt, ob er heute, ob er jetzt noch kommen könne. Obwohl er sich keine große Hoffnung gemacht hat, denn der Termin ist andauernd verschoben worden, sagt der Mann am anderen Ende des Telefons: »Natürlich, warum denn nicht.« Und ohne rechten Bezug fügt er hinzu: »Dachte, du wärst längst da gewesen. Dachte, wär eh alles klar?«
    Während Darius ungeduldig auf die U-Bahn wartet und es draußen blitzt und donnert, überlegt er ängstlich, was der Mann am Telefon gemeint haben könnte.
    Ist das Zimmer vergeben? Gab es eine Verwechslung? Hab ich einen Termin verpasst? Und meine beste Chance durch schiere Dummheit vergeben?
    Das Wetter scheint ihm ein schlechtes Omen, die Verspätung der U-Bahn um wenige Minuten kommt ihm verhängnisvoll vor.
    Während er im überfüllten Waggon unmäßig schwitzt und bei jeder Station hofft, der Zug werde nicht so lange halten, berechnet er die Minuten, die er bis zum Zielbahnhof braucht, und geht im Kopf den Weg bis zur angegebenen Adresse durch: noch mal und noch ma l – und ist längst überzeugt, das Zimmer nicht mehr zu bekommen. Doch dann geschieht etwas, womit er nicht gerechnet hat.
    Er betritt die Wohnung, eine große Wohnung mit fünf Zimmern, in der Darius nur einen kleinen Raum am Ende eines Ganges mieten möchte. Eine preiswerte Unterkunft, die er sich gerade leisten kann: monatlich vier Schichten in einer Kneipe wären neben dem Bafög-Betrag nöti g – oder ein ähnlicher Job: Tankstelle, Supermarkt, Putzen.
    Ein Zimmer wie ein Schlauch, daneben ein Bad und eine kleine Küche, mit der übrigen Wohnung durch einen verwinkelten Flur verbunden. Durch das hohe, schmale Fenster fällt kaum Licht, weil es hinaus auf einen Lichtschacht geht. Nur knapp zwei Meter von seiner Zimmertür entfernt befindet sich ein weiterer Ausgang der Wohnung.
    »Früher«, sagt der Mann, der ihm mit Schwung die Wohnungstür geöffnet und ihn danach in der Wohnung herumgeführt hat, »früher war das für die Dienstbote n – der

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