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Blutsbrüder

Blutsbrüder

Titel: Blutsbrüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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na ja, ich meine, nicht richtig angezogen.«
    Alina lächelt. Leise fragt sie: »Wofür?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, hakt sie sich bei ihm unter. Während Darius an die Zeit in der Grundschule denkt, laufen sie wortlos und ein wenig beklommen nebeneinanderher. Schon damals hat er Alina gemocht, die in einer Parallelklasse von Hakan gewesen ist, einer der wenigen Klassen, die immerhin zur Hälfte von deutschen Schülern besucht worden ist.
    Erst nach einiger Zeit überwindet sich Darius, entzieht Alina behutsam seinen Arm und sagt: »Wie findest du eigentlich diese ganzen Ideen von Hakan? Meinst du wirklich, dass ma n …?«
    »Na ja.« Alina sieht ihn an. »In manchem, vielleicht in vielem hat er ja Rech t … denke ich, nu r … nur trotzdem mach ich mir Sorgen.«
    »Warum«, fragt Darius, »warum Sorgen?«
    »Er ist so stur. Er ist s o … so ungeheuer unversöhnlich. Gegen alles. Auch gegen Emre. Du kennst ihn doch. Sogar besser als ich. Oder?«
    »Ja. Schon. Abe r …«
    »Auf dich hört er auch nicht mehr, stimmt’s?«
    Abrupt ist Alina im Schein einer zu früh angeschalteten Straßenlaterne stehen geblieben. Darius sieht, dass ihr Gesicht klein und verloren wirkt. Sie presst die Lippen aufeinander, sodass sie schmal wie Striche das Gesicht in zwei Hälften teilen. Und während Darius sich unwillkürlich wünscht, einen Arm um Alina zu legen, schüttelt sie sich unerwartet, stampft kurz mit dem Fuß auf und lacht hell, wie nur sie es kann. Dann fasst sie sich wieder bei Darius unter und sagt mit entschlossener Stimme: »Keine Politik. Heute, zumindest heute, will ich davon nichts wissen.«
    Erneut ist Darius von ihrem Stimmungswechsel verblüfft. Ähnlich überrascht wie in dem Augenblick, als sie sich das erste Mal bei ihm eingehakt hat. Eilig sagt er: »Okay. Und woran dachtest du?«
    »Was trinken?«
    Alina lächelt auf eine ungewohnt kokette Weise.
    »Nein«, entgegnet Darius, der plötzlich einen Einfall hat. Der auf seine Uhr schaut und denkt: Das müsste doch hinhauen! Der unvermittelt das Gefühl hat, der Abend sei wie geschaffen für etwas Besonderes.
    Darius hat Alina in der Wohnung herumgeführt. Gemeinsam haben sie die nicht besonders zahlreichen Zimmerpflanzen gegossen. Niemand da außer ihnen. Ein aufgeklappter, leerer Koffer im Flur. Offenbar sind der Vermieter und seine Freundin tatsächlich schon, wie erhofft, abgereist. Und offenbar hatten sie es ausgesprochen eilig.
    Alina macht Vorschläge, wie Darius sein kleines Zimmer einrichten könnte. Dann stehen sie in dem großen Gemeinschaftsraum, in dem der Mann Darius Tee eingeschenkt und den Wohnungsschlüssel übergeben hat.
    Außer dem winzigen Tisch befindet sich nicht viel darin, einige Pflanzen im Fenster, rot blühende Kakteen, Kerzen in Kerzenhaltern, ein Bord an einer Wand, auf dem eine kleine, aber nicht billige Stereoanlage steht. Daneben liegt ein Zettel: Bedien dich, wenn du möchtest. Neben dem Player lehnen acht oder neun CDs.
    In der Mitte des geräumigen Zimmers steht Alina mit geschlossenen Augen, legt den Kopf in den Nacken, öffnet die Lider und wispert: »Du bist ein Glückskind, Darius. Das hier ist etwas Wunderbares, ganz und gar Wunderbares.«
    Für Augenblicke scheint sie nachzudenken. Währenddessen erinnert sich Darius an das einzige Mal, als er Alina zu Hause besucht hat.
    Er sieht sich wieder den Neubaublock betreten, sieht, wie er mit dem Fahrstuhl ins achte Stockwerk fährt, den Flur entlangläuft und an der Wohnungstür von Alina klingelt.
    Ihre Eltern sind vor fünfzehn Jahren nach Deutschland gezogen. Alina ist in Polen geboren. Mit ihren Eltern und der jüngeren Schwester spricht sie Polnisch.
    Außerdem kann sie wie nur wenige andere auf dem Gymnasium Türkisch. Darauf hat ihre Mutter Wert gelegt. Manchmal ist das nützlich. Manchmal gelingt es ihr, jemanden auf der Straße damit zu verblüffen. Meist hilft es ihr nur zu verstehen, wie abfällig sich manche der türkischen Jugendlichen, auch der Mädchen, mitunter über die Deutschen äußern.
    Alinas Wohnung ist klein, beinahe winzig. Es gibt nur zwei Zimmer und eine etwas größere Wohnküche, jedoch keinen Balkon. »Aber der Blick«, sagt Alina, »der Blick aus dem Fenster ist schön, vor allem am Abend im Sommer, wenn der Himmel rot wird.«
    Darius bleibt nicht lange, obwohl sich ihm endlich eine Gelegenheit bietet, mit Alina allein zu sein. Er fühlt sich nicht wohl. Zu beengt kommen ihm die Zimmer vor, zu niedrig die Decken, zu vollgestellt die

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