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Blutsbrüder

Blutsbrüder

Titel: Blutsbrüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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hervorlugen, die Schnürsenkel auffällig rot, hebt nachlässig die Hand, während die rechte Lederjacke, eine Frau, deren Haar kurz ist und schillernd grün gefärbt, nur nickt und Darius dabei mustert, der hinter Hakans Rücken fast verschwindet. Die Frau gewährt ihm die Andeutung eines Lächelns, das Darius, perplex, durch das bloße Verzerren der Mundwinkel erwidert.
    Die drei vertreten ein Antifa-Bündnis, das aus zehn oder zwölf Gruppen besteht und das die Kampagne, in die sie eingebunden waren, weitgehend organisiert hat.
    Im Nachhinein kann sich Darius nicht an jede Einzelheit des kurzen Treffens erinnern. Nur bestimmte Eindrücke haben sich ihm eingeprägt: die Narbe des Kahlköpfigen auf seiner zuerst abgewandten Wange, halbkreisförmig vom Mund bis hoch zum Augenwinkel (»abgebrochene Flasche«, Hakan); die eher barsche Art der drei, die Darius an alles andere als an rohe Eier erinnert hat; die seltsam strenge Schönheit der Frau mit der grünen Frisur, ein Leuchten, das aus ihrem Innern zu kommen schien, aus einer eigentümlich unverrückbaren Ruhe; die oft beinahe bedächtige Weise, mit der vor allem der Langhaarige auf Hakans Vorschläge reagiert hat. An den Abtausch der Argumente erinnert sich Darius genau.
    Am Anfang äußert Hakan, ausgesprochen vorsichtig, seine Idee der S- und U-Bahn-Patrouillen und nennt den Vorschlag eine »Kampagne gegen die Gewalt«.
    Nach einem längeren Schweigen fragt ihn die Frau, ob er das ernst meine.
    Schon hier lässt Hakan alle Vorsicht fahren. Hitzig und mit einem Eifer, den Darius für unklug hält, verweist er auf die Patrouillen, die die Antifa vor Jahren organisiert habe, als die Übergriffe der Neonazis vor allem in den S-Bahnen sprunghaft zugenommen hatten.
    »War enorm erfolgreich. Weil ihr viele wart. Könnte man wieder machen. Wäre kein Problem.«
    »Doch«, sagt der Glatzkopf nach einer Weile, »das ist ein überfettes Problem.«
    Er blickt den Langhaarigen an, der nach einigem Überlegen sagt: »Bei uns hier, in Deutschland, kann man nicht mal einfach so was gegen Migranten machen, das geht hier gar nicht!«
    Darius sieht, dass Hakan sich beherrschen muss, um nicht aus der Haut zu fahren.
    »Was meinst du mit: ›Bei uns hier, in Deutschland‹?«, fragt er und seine Stimme lässt die Luft in dem kleinen Raum vibrieren. »Meinst du, weil ich Türke bin, kann ich das nicht kapieren?«
    Er tritt einen Schritt auf den Langhaarigen zu, der sich unwillkürlich auf seinem Stuhl zurückbeugt, während der Glatzkopf Anstalten macht aufzuspringen und Darius Hakan am Jackenärmel festhäl t – rohe Eier, denkt er, rohe Eier!
    »Ich sag’s nicht gerne.« Hakan ballt die Fäuste, schiebt sie gleich darauf in die Taschen seiner Hose. »Aber ich bin ein Deutsche r – wie ihr.«
    »Mag sein.« Die Frau mit den grünen Haaren hat sich von ihrem Stuhl erhoben. »Aber das, was du vorschlägst, ist trotzdem rechtsradikale Scheiße.«
    Hakan verlässt der letzte Rest Geduld. Wenn er redet, klingt es wie ein böses Zischen, das Darius an Emre denken lässt.
    Er holt Luft und sagt: »Pass mal auf, du Braut. Letztlich kann’s dir doch egal sein, ob dir ein Scheiß-Nazi in die Fresse schlägt oder irgend so ein Türke oder Araber.«
    Er mustert die Frau von oben bis unten.
    »Wenn es mal dabei bleibt, dass er dir nur aufs Maul haut.«
    Selten hat Darius den Freund derart außer sich gesehen. Noch einmal fixiert er die Frau und die beiden Männer neben ihr.
    »Ihr nennt mich einen Nazi! Aber wer benimmt sich denn oft genug rassistisc h – wie ein beliebiges rechtsradikales Arschloch?« Bleich vor Zorn fährt er fort: »Und wenn ich was dagegen tun will, nennt ihr mic h – und, Scheiße, ihr kennt mich doch ! –, ausgerechnet mich einen Nazi!«
    Dann dreht er sich um, packt Darius am Arm und murmelt: »Komm, wir gehen.«
    Bevor eine der drei Lederjacken etwas erwidern kann, öffnet sich die Tür und Tomtom betritt den Raum, gemeinsam mit Harun, dem kiffenden Anführer der Security.
    »Hallo«, sagt Tomtom verlegen, während Harun breit grinst und erst Hakan, danach Darius leutselig auf die Schulter schlägt.
    »Macht ihr auch mit? Coole Truppe!« Er kramt aus den Taschen seiner weiten, unverschämt farbigen Weste einen Joint, findet aber kein Feuerzeug. Ehe er die anderen im Raum danach fragen kann, entgegnet Hakan grenzenlos bitter: »Bestimmt nicht.«
    Wieder zerrt er Darius hinter sich her und zieht ihn ins Treppenhaus, hinunter auf den Hof und durch die Einfahrt hinaus

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