Blutschnee
Jagdaufseher Joe Pickett«, sagte er. »Können Sie mich mit Sheriff Barnum verbinden?«
»Das geht nicht.«
Joe wartete auf mehr, doch es kam nichts weiter.
»Wie bitte?«
»Das geht nicht.«
»Dann geben Sie mir irgendwen. Es muss nicht Barnum sein.«
»Das geht nicht.«
»Wendy, verflixt …«
Jemand anderer meldete sich. Joe hörte, dass es Tony Portenson war, Munkers Kollege.
»Rufen Sie mich vom Festnetz an«, sagte der FBI-Mann.
Joe stieg wütend aus.
»Lassen Sie mich nicht mit dem allein!«, flehte Spud, als er die Tür zuknallte.
Joe klopfte erneut an Cobbs Tür und bat den Pfarrer, sein Telefon benutzen zu dürfen.
»Offenbar haben Sie Spud aufgelesen«, erwiderte der und blickte über Joes Schulter zum Pick-up.
»Ja.«
Cobb trat beiseite, um Joe einzulassen. Er wirkte noch immer misstrauisch und hielt reichlich Abstand zu ihm.
»Sie haben mir da draußen einen ganz schönen Schreck eingejagt«, sagte er und griff sich ans Ohr. Joe stellte fest, dass der runde Abdruck seines Gewehrlaufs noch am Ohrläppchen zu erkennen war.
»Das tut mir leid«, sagte er aufrichtig.
Cobb schüttelte den Kopf und wies zum Fenster. »Er wollte, dass die Souveränen ihm Unterschlupf gewähren, aber sie haben ihm einen Korb gegeben. Das mache ich ihnen nicht zum Vorwurf, doch dann wäre ich ihn los gewesen.«
»Das haben mir die Souveränen schon erzählt«, sagte Joe. Aber irgendwas passte nicht. Er dachte an die Verandastufen, die er bei seiner Ankunft zu Cobb hochgestiegen war. Es waren keine Spuren darauf gewesen. Wie konnte Spud dem Pfarrer dann erzählt haben, was geschehen war? Joe hatte den Eindruck, Cargill habe sich heimlich in die Kirche geschlichen. »Hat Spud Ihnen das erzählt?«
Cobb schüttelte den Kopf.
»Dann stehen Sie also mit den Souveränen in Kontakt. Wie? Telefonisch?«
Der Pfarrer nahm einen Schluck Kaffee und wies auf den PC in einer dunklen Ecke. Der Computer war eingeschaltet, und ein Bildschirmschoner drehte Pirouetten. »Per E-Mail.«
»Mit wem? Mit Wade Brockius?«
Cobb sah weg. »Wade und ich schreiben uns seit Jahren. Er ist ein brillanter Mann und ein guter Freund.«
»Dann haben also Sie den Souveränen vorgeschlagen, nach Twelve Sleep County zu kommen?«
»Ja. Ich dachte, hier sind sie sicher. Jetzt wünschte ich, ich hätte es nicht getan.«
Joe seufzte. »Da sind Sie nicht der Einzige.«
Cobb gab ihm den Hörer und schlurfte zum Computer, damit sein Besucher ungestört war. Joe verzog sich so weit in die dunkle Küche, wie es das Kabel erlaubte, und wählte die Nummer des Sheriffbüros.
»Portenson.«
»Joe Pickett. Können Sie mir sagen, was los ist?«
Portenson klang müde. »Alle Ordnungshüter des Twelve Sleep County haben Anweisung, Funkstille zu wahren.«
Joe hatte noch nie von so einem Fall gehört. »Warum?«
Portenson zögerte. »Das Angriffsteam ist heute Morgen mit Schneeraupen in die Berge aufgebrochen. Agent Munker befürchtete, die Souveränen da oben könnten den Polizeifunk abhören und erfahren, dass es im Anmarsch ist.«
Joes Kopfhaut kribbelte. »Sie sind schon unterwegs?«
»Sie haben sich heute Morgen um vier gesammelt und sind um fünf gefahren.«
Joe überschlug rasch, wie lange sie brauchen würden: Die Raupen dürften binnen einer Stunde beim Lager der Souveränen eintreffen.
»Portenson, können Sie sie erreichen?«
»Ich sagte doch, dass die Funkgeräte ausgeschaltet sind.«
Joe hielt den Hörer vom Kopf weg und betrachtete ihn. Dann riss er ihn wieder ans Ohr.
»Ich habe Spud Cargill verhaftet!«, rief er. »Ich hab ihn vor einer Viertelstunde in Saddlestring festgenommen. Er ist nicht oben im Lager.«
»Ach du Scheiße.«
»Genau«, sagte Joe. »Wie können wir sie erreichen, um den Einsatz abzublasen? Denken Sie nach!«
»Scheiße, Scheiße, Scheiße«, wiederholte Portenson, und Joe merkte, wie beunruhigt er war.
»Moment mal«, sagte er unvermittelt. »Warum sind Sie eigentlich nicht dabei?«
»Ich konnte nicht.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich konnte mich nicht überwinden, mitzufahren!«, rief Portenson. »Ich bin ausgestiegen! Ich halte die ganze Operation für eine Riesendummheit – genau wie die Angriffe in Ruby Ridge und Waco. Ich habe darauf bestanden, dass der Einsatz vorab vom Direktor des FBI abgesegnet wird, doch der Chef ist in Übersee und kommt erst am Montag zurück. Munker und Strickland haben sich geweigert, auch nur drei Tage lang zu warten, weil sie fürchten, dass die Medien bis dahin
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