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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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angekündigt: »Meine Damen, wir fahren zur Kirche.«
    Sheridan hatte geschwiegen, ihre Mutter aber zornig angefunkelt. April hatte gestöhnt. Lucy hatte zu spekulieren begonnen, was sie tragen würde.
    »Gut möglich, dass wir den Fall gelöst haben«, sagte Joe nun. »Ein Weihnachtsgeschenk für Saddlestring.«
    Nach kurzer Pause fragte Marybeth: »Warum klingst du so skeptisch?«
    Der Spiegel warf ihm sein bitteres Lächeln zurück.
    »Das weiß ich nicht genau. Wahrscheinlich muss ich das Ganze erst in Ruhe durchdenken.«
    Sie nickte, sah ihn aber weiter an. Er hatte fröhlich klingen wollen, aber sie durchschaute ihn stets. Ihr Spiegelbild beobachtete das seine.

    »Der arme kleine Hund«, sagte sie kopfschüttelnd.
    »Ja.«
    »Ob sie es absichtlich getan hat?«
    »Ich vermute es. Entweder wollte sie das Tier zur Strafe den Raupen nachrennen lassen oder da oben aussetzen. Oder sie wollte das heraufbeschwören, was dann geschehen ist. Ich weiß es einfach nicht.«
    »Vielleicht hätte sie den Hund in die Raupe gelassen, wenn jemand etwas gesagt hätte – ob du oder ein anderer«, überlegte Marybeth. »Wenigstens aus Scham.«
    Joe seufzte. »Ich weiß nicht, Schatz. Ich glaube, niemand wusste, dass der Hund draußen geblieben war. Und sie scheint mir nicht der Typ zu sein, der sich schämt.«
    Marybeth schüttelte den Kopf. »Wenigstens verschwindet sie jetzt wieder dorthin, woher sie gekommen ist.«
    »Hoffen wir’s«, sagte Joe und bewunderte seine Frau in ihrem Kleid. »Du sieht umwerfend aus, weißt du.«

    In Krawatte und altmodischem Überzieher trieb Joe Pickett die Kinder nach dem Weihnachtsgottesdienst zum betagten Minivan zurück. Missy – schwer aufgedonnert im förmlichen schwarzen Kleid und mit Perlen, die für Cocktailpartys in Jackson Hole gedacht waren – gesellte sich seufzend zu ihren Enkelinnen auf die Rückbank. Marybeth glitt auf den Beifahrersitz.
    Der Gottesdienst hat mir gutgetan, überlegte Joe. Die Lieder und die Predigt, die im Kreise seiner Familie über ihn hinweggeflutet waren, hatten ihn ein Stück weit von den unnötig grausamen Szenen befreit, die er am Nachmittag erlebt hatte. Lamar Gardiner hin oder her – McLanahan und Barnum hatten keinen Grund, Nate Romanowski zu schlagen. Er betete
für Mrs. Gardiner und schickte noch ein kurzes, verlegenes Gebet für den toten Hund hinterher.
    Sheridan saß im Auto direkt hinter ihm.
    »Wie wär’s, wenn jeder zwei Päckchen aufmachen darf, falls im ersten Geschenk Anziehsachen sind?«, fragte sie.
    »Da hat Sheridan Recht«, sagte April von hinten.
    Joe ächzte und ließ den Motor an. Weil sie so viele waren, waren die Scheiben beschlagen. Bis jetzt war die Nacht klar, doch neuer Schnee war angekündigt, und der Mond hatte einen Hof.
    Falls es zur Debatte kam, würde er garantiert verlieren, denn er war ebenso geneigt, die Mädchen alle Geschenke öffnen zu lassen, wie dazu, Marybeth zu unterstützen.
    »Brauch ist Brauch. An Heiligabend gibt es für jeden genau ein Päckchen«, mischte Marybeth sich ein und wandte sich an die Kinder. »Außerdem braucht ihr nun mal Kleider.«
    »Aber ich will keine«, maulte Sheridan.
    »Ich auch nicht«, fügte April griesgrämig hinzu.
    »Ich aber«, quietschte Lucy süß. Missy lachte.
    »Das wissen wir!«, rief Sheridan. »Vielleicht hoffst du ja auf eine Perlenkette wie die von Tante Missy.«
    Joe schwieg. Seine Schwiegermutter tat gern so, als sei sie keine Großmutter, sondern eine Tante. Sie hatte vorgeschlagen, die Kinder sollten sie »Tante Missy« nennen, wenn Fremde dabei waren. Joe hielt das für lächerlich. Diesen wunden Punkt hatte Sheridan offenbar aufgegriffen.
    »Lasst uns nett zueinander sein«, sagte Marybeth so beschwichtigend wie möglich. »Schließlich ist Weihnachten.«
    Es funktionierte. Joe spürte, dass Sheridan den Streit aufgab und sich in ihren Sitz kuschelte. Erstaunlich, wie Marybeth das immer schafft, dachte er.
    Warmluftgebläse und Scheibenheizung voll aufgedreht,
fuhren sie durch Saddlestring. Die Mädchen lobten die guten Weihnachtsdekorationen und machten die schlechten nieder.
    Außerhalb der Stadt beschleunigte Joe. Sie kamen am Futtermittelgeschäft vorbei, am Schnellrestaurant (dessen Außenbeleuchtung mit dem Spruch »Stierhoden aus den Rocky Mountains – all you can eat!« lockte) und am Minimarkt. Die ungewöhnlich vielen Autos vor der Ersten Gebirgskirche von Saddlestring allerdings ließen Joe neugierig bremsen.
    »Seit wir hergezogen sind, habe ich

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