Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
Vom Netzwerk:
doch der Gang war leer.
    »Er hat ein Schlafmittel bekommen. Ich denke nicht, dass Sie viel von ihm erfahren werden.«

    Die Lider auf Halbmast, lag Birch Wardell in seinem Bett. Eine dünne Neonröhre am Kopfende des Bettes beleuchtete eine Hälfte seines Gesichts und warf spitze Schatten über die Laken. Wardell hatte sich nicht nur das Becken, sondern auch ein Schulterbein und die Nase gebrochen. Stiche liefen wie Eisenbahnschienen von seinem Nacken bis zum Haaransatz. Joe hatte die Krankenschwestern sagen hören, drei
seiner Fingerspitzen und vier Zehen seien fast erfroren gewesen.
    Der untersetzte Mann im Bett war Mitte vierzig und hatte einen buschigen Schnurrbart und braune Augen. Joe hatte ihn auf Patrouillenfahrten bereits gesehen.
    Als Wardell Joe auf der Schwelle erblickte, hob er den gesunden Arm ein wenig, um ihn zu grüßen.
    »Geht’s Ihnen einigermaßen?«, fragte Joe leise.
    Wardell schien seine Stimme erst finden zu müssen. »Seit ich Schmerz – und Beruhigungsmittel bekommen habe, ist mir viel besser. Irgendwie bin ich geradezu … glücklich.«
    Joe näherte sich dem Bett. Das Zimmer roch nach Verbandszeug und Desinfektionsmitteln.
    »Frohes neues Jahr«, sagte er lächelnd.
    Wardell ächzte und zuckte dann zusammen, weil das Seufzen seinen Rippen wehgetan hatte.
    »Danke, dass Sie mir das Leben gerettet haben. Der Arzt sagte, ich hätte es da draußen nicht viel länger ausgehalten.«
    »Es tut mir nur leid, dass ich Sie angefahren habe«, erwiderte Joe. »Was ist eigentlich passiert? Sie sind den ganzen Weg aus den Breaklands rausgelaufen, nachdem Sie Ihren Wagen zu Schrott gefahren hatten?«
    »Ich war auf dem Rückweg in die Stadt«, sagte er. »Es muss ungefähr halb fünf gewesen sein und noch eine halbe bis dreiviertel Stunde lang hell. Ich hab mich beeilt, weil meine Frau und ich Karten für das Silvester-Diner in der Wapiti Lodge hatten.«
    Joe nickte, damit er fortfuhr.
    »Ich habe auf dem von unserer Behörde verwalteten Land einen weißen Pick-up entdeckt – auf einem Höhenkamm jenseits der Schilder, die die Straße im Winter für den Autoverkehr sperren. In dem Gebiet, das vom Landverwaltungsamt
und der Forstverwaltung gemeinsam betreut wird. Sie kennen das Gelände doch?«
    Joe nickte erneut. Auch in diesem Gebiet war er schon Patrouille gefahren. Es war ein raues, baumloses, nur von Salbeigesträuch bestandenes Gelände voller sich wild schlängelnder, tief eingeschnittener Bachläufe, das sich von der Landstraße bis zu den bewaldeten Vorbergen der Bighorns erstreckte. Die Gegend war erst kürzlich zum Forschungsgebiet erklärt worden, und beide Bundesbehörden sollten dort gemeinsam untersuchen, wie das heimische Büffelgras sich ausbreitete, wenn es nicht von Rindern oder Schafen abgeweidet wurde. Dieses Vorhaben hatte den Zorn einiger Rancher erregt, die ihre Herden jahrelang in den Breaklands hatten weiden lassen; auch einige Jäger und Angler aus dem Twelve Sleep County, die auf diesen Straßen zu den Quellgebieten in den Vorbergen gelangten, waren aufgebracht gewesen. Wardell leitete das Forschungsprojekt.
    »Tja, dieser weiße Pick-up war dabei, meine Schilder mit der Aufschrift ›Durchfahrt verboten‹ mit einer Kette umzureißen. Als ich das sah, dachte ich: zum Kuckuck!«
    »Von zerstörten Schildern hab ich gehört«, sagte Joe.
    Wardell nickte ein wenig. Es dauerte etwas, ehe er fortfuhr – die Beruhigungsmittel machten sich immer stärker bemerkbar. »Das geht nun schon seit Monaten so. Manchmal sind die Schilder verschwunden, manchmal bloß umgerissen. Ich dachte also: zum Kuckuck!«, wiederholte Wardell, »und bog in die gesperrte Straße ein, um die Vandalen auf frischer Tat zu stellen.«
    »Verstehe. Können Sie den Wagen näher beschreiben?«
    »Er war weiß. Oder vielleicht beige. Auf jeden Fall hell. Und nicht mehr ganz neu. Die Sonne hat mir direkt in die Augen geleuchtet.«

    »War es ein Ford? Oder ein GMC? Ein Chevrolet?«
    Wardell dachte nach. »Vielleicht ein Ford. Der Wagen war ziemlich schmutzig – das ist mir aufgefallen. An den Türen war Dreck. Es können aber auch Flecken gewesen sein.«
    Joe lächelte grimmig. Einen Ford Pick-up in Wyoming ausfindig zu machen, war etwa so aussichtslos, als wollte er in Houston jemanden aufgrund der Beschreibung entdecken, er sei Latino.
    »Wie dem auch sei …« Wardell schluckte, und seine Lider flatterten. Er wurde immer müder. Joe hatte ein schlechtes Gewissen, ihn so zu bedrängen, und spähte auf seine

Weitere Kostenlose Bücher