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Blutschnee

Blutschnee

Titel: Blutschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Box
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auch freudig erregt. Als Marybeth auf ihn zukam, beugte Hersig sich zu ihm vor und wiederholte spöttisch: »Wir müssen ein Interview machen!«

    »Was hat Robey über April gesagt?«, fragte Marybeth, als sie Saddlestring auf der Bighorn Road verließen. Die Sturmwolken hatten Mond und Sterne verhüllt, und der Wind wehte unerbittlich. Kleine Schneeflocken trieben wie Funken durchs Scheinwerferlicht.
    »Es war nicht gerade ermutigend«, erwiderte Joe. »Aber er hat auch nicht durchblicken lassen, dass Jeannie versucht hat, April zurückzubekommen.«
    »Das war eine sehr seltsame Erfahrung vorhin«, seufzte Marybeth. »Die Totenfeier war beunruhigend und der Empfang noch schlimmer. Am meisten tut mir Carrie Gardiner leid – oder Cassie, wie Melinda Strickland sie nannte. Ich freue mich beinahe darauf, meine Mutter zu sehen.«
    »Ich auch«, sagte Joe lachend, dachte dabei aber an Melinda Strickland. Und an Nate Romanowski. Und Elle Broxton-Howard.
    »Was hat sie zu dir gesagt?«, fragte Marybeth abrupt.
    »Wer?«, fragte Joe und hatte dabei selbst das Gefühl, schuldbewusst zu klingen.
    »Das weißt du genau«, sagte sie patzig. »Die Mieze, vor der
ihr beide – Robey und du – dahingeschmolzen seid, als ich von der Toilette kam. Elle Broxton-Howard.«
    Wieder spürte Joe sich am Hals erröten.
    »Sie will mich interviewen«, sagte er.
    »Ach, nennt man das jetzt so?«, schnaubte Marybeth.
    Joe schwieg. Er hatte gelernt, dass er in solchen Situationen umso besser fuhr, je weniger er sagte.
    Er spürte Marybeths Blick und wandte sich ihr zu.
    »Schatz, ich …«
    »Joe!«, rief sie. Er schaute nach vorn und erkannte im weißen Licht seiner Scheinwerfer die abgerissene Gestalt eines Mannes – eines Mannes mit weit aufgerissenen Augen und tief erschrockenem, blutüberströmtem Gesicht, der die verfrorenen Hände ausstreckte, wie um sich zu schützen; dann hörte er trotz seines Versuchs, den Wagen noch in den Straßengraben zu lenken, das übelkeiterregende Geräusch des Aufpralls und sah im Rückspiegel eine Art Vogelscheuche im Grellrot der Rücklichter auf die verschneite Landstraße stürzen, während Marybeth schrie und schrie.

13
    Er hieß Birch Wardell und war beim US-Landverwaltungsamt angestellt. Joe hatte ihn zum Glück nicht getötet. Zwar brach Wardell sich bei dem Unfall das Becken, aber das war nur eine von vielen Verletzungen, die er an diesem Tag erlitten hatte, nachdem er seinen Pick-up in den Breaklands – einem zerklüfteten Gebiet vor den Ausläufern der Bighorns – über die Kante einer kleinen Schlucht gesteuert hatte.
    Der Unfallarzt im Krankenhaus erkannte Joe, der ihm schon Gardiners gefrorene Leiche gebracht hatte, sofort.
    »Ich sehe Sie öfter, als mir lieb ist«, sagte er. »Und jedes Mal, wenn Sie auftauchen, bringen Sie Probleme mit.«
    Joe pflichtete ihm bei. Aber dieser Mann ist immerhin am Leben, dachte er.

    Noch immer in Jackett und Krawatte, saß Joe im Flur des Krankenhauses auf einem Plastikstuhl vor Wardells Zimmer. Inzwischen war es weit nach Mitternacht – das neue Jahr hatte längst begonnen. Er hatte Marybeth angerufen, um ihr zu sagen, dass Wardell lebte und wahrscheinlich wieder gesund wurde.
    Sie war heilfroh.
    »Ich kann noch immer nicht glauben, dass der arme Kerl mitten auf der Straße gelaufen ist«, sagte sie. »Und das in so einer Nacht.«
    »Ich versuche rauszufinden, warum«, erwiderte Joe. »Jetzt geh ins Bett und schlaf.«
    »Wie kommst du eigentlich nach Hause?«
    Darüber hatte Joe noch nicht nachgedacht. Marybeth war
mit dem Wagen heimgefahren, nachdem sie Wardell in die Klinik gebracht hatten.
    »Das bekomm ich schon hin«, sagte er.

    Das Krankenhaus lag bei gedimmter Beleuchtung in stillem Halbdunkel. Mrs. Wardell hatte ihren Mann besucht, nachdem er aus dem Operationssaal gekommen war. Nun bedankte sie sich bei Joe dafür, ihn in die Stadt gebracht zu haben.
    »Aber ich habe ihn angefahren«, erwiderte er.
    Sie tätschelte ihm den Arm. »Ich weiß.« Ihre Augen waren geschwollen und rot gerändert. »Aber der Arzt meinte, er wäre zweifellos da draußen erfroren, wenn Sie ihn nicht gefunden hätten. Es ist achtundzwanzig Grad unter null.«
    »Ich wünschte trotzdem, ich hätte ihn nicht erwischt.«
    »Das ist schon in Ordnung, Mr. Pickett«, sagte sie beruhigend. »Er lebt und ist bei Bewusstsein. Der Arzt sagt, er wird wieder gesund.«
    »Denken Sie, ich könnte mit ihm sprechen?«
    Mrs. Wardell hielt nach dem Arzt oder einer Schwester Ausschau,

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