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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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Dekadenz der prächtigen Bäder in den Suiten des Zeitlos . Der in die Wand geschraubte Spiegel hatte Rostflecken um die Schrauben und war vom Alter teilweise blind. Naomi zwang sich, nicht darauf zu achten. Nicht auf Rostflecken und Risse im Porzellan, die ihr Leben ausmachten.
    Sie bürstete sich das Haar, band es fest zu einem Knoten zusammen. Dabei fiel ihr Blick auf die verletzte Schulter und den Verband, der diese schützen sollte. Naomi runzelte die Stirn.
    Sie starrte die verletzte Schulter an, die überhaupt nicht wehtat.
    Um in den Spiegel zu gucken, beugte Naomi sich vor und musterte die dünne Linie, die alles war, was von der Schramme quer über ihrer Nase übrig geblieben war. Sie kniff die Augen zusammen.
    Plötzlich ging ihr Atem schneller.
    Sie riss sich den Verband von der Schulter. Wo eigentlich eine tiefe Schusswunde hätte sein müssen, war nichts zu sehen als eine zarte, nur noch angedeutet andersfarbige Linie auf der Haut. Die Finger, mit der Naomi die Linie nachfuhr, zitterten.
    »Verdammte Affenscheiße«, entfuhr es ihr entgeistert, plötzlich atemlos. Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand einen Tritt in den Bauch verpasst. Als hätte ihr jemand einen Schlag versetzt, der ihr sämtliche Luft aus den Lungen trieb. Naomi musste sich am Waschbecken festhalten. Ihre Stirn knallte mit einem vernehmlich dumpfen Laut gegen den Spiegel.
    Das bisschen Schmerz, das ihr wie ein kurzer Blitz durchs Hirn bis zum Hinterkopf fuhr, war nichts gegen die sich sammelnde, langsam aufsteigende Panik.
    Verletzungen dieser Art heilten nicht so rasch. Keine medizinische Versorgung der Welt konnte einen Streifschuss einfach verschwinden lassen wie Abdeckstift einen Knutschfleck.
    Aber Magie konnte das.
    Hexen konnten das.
    Überall Hexen und Hexer! War die ganze verdammte Familie magiebesessen? Oder nur ein Familienmitglied? »Bei allen verfluchten Heiligen!«
    Naomi setzte sich wieder in Bewegung. Der plötzliche Adrenalinanstieg fühlte sich an, als ballte sich eine Faust um ihr Herz. Sie krümmte sich zusammen. Aber dafür hatte sie jetzt keine Zeit.
    Sie konnte es sich nicht leisten, weiter darüber nachzudenken.
    Joe Carson war als Erster an der Reihe. Und dann   …
    Dann würde sie sich mit den Clarkes befassen. Mit ihnen und den Magiebesessenen, die mit ihnen unter einer Decke steckten.
    »Ich habe dich gewarnt«, flüsterte sie und kniete sich vors Bett, um ihre Lieblingsknarre unter der Matratze hervorzuholen. »Ich habe dir gesagt, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene.« Der Colt war größer als die Waffen nach Missionsstandards. Aber, bei Gott, die Wumme blies in jeden ein Loch, der dumm genug wäre, Naomi in die Quere zu kommen!
    Mit dem Handrücken wischte sie sich über die Wange und verzog mürrisch das Gesicht, als der Handrücken feucht war. Verfluchte Scheiße, sie weinte doch nicht! Schon gar nicht wegen dämlicher Magiebesessener. Schon gar nicht wegen Phin Clarke.
    »Ich verlange, genauestens darüber ins Bild gesetzt zu werden, was hier vorgeht.« Michael Rooks Stimme übertönte alle anderen. Der allgemeine Lärm in der Lobby war eine misstönendeMixtur aus Empörung, Fragen und Gezanke darum, wer welchen Rang und welches Vorrecht habe. Das alles rüttelte an Phins ruhiger Gelassenheit wie ein Orkan. Das Geschrei und Gezänk war so laut, dass die beruhigende Musik und das Plätschern der Quellen in den Brunnenbecken darin untergingen, als existierten sie nicht.
    Beschwichtigend hob er die Hände. »Es tut mir wirklich sehr leid«, entschuldigte er sich nicht zum ersten oder zweiten, sondern bereits zum siebzehnten Mal. »Ich verstehe, dass die Umstände für jeden von Ihnen Probleme aufwerfen. Aber wir sorgen dafür, dass jeder von Ihnen an das gewünschte Ziel kommt.«
    »Da bin ich schon. Ich will genau hier sein«, jammerte Jordana, ihr Haar ein wilder Haufen verfilzter Locken, die ihr auf die Schultern fielen. »Was, wenn Katie zurückkommt und mich hier sucht?«
    Der hagere Rook wischte die Bemerkung mit einer ungeduldigen Handbewegung fort. »Ihre Katie ist verdammt viel klüger als Sie. Sie kommt sicher mit jeder Situation zurecht.«
    Jordana holte tief Luft. »Sie   …!«
    »Um Himmels willen, sorgen Sie dafür, dass sie den Mund hält!« Grace Latterby, einer der beiden Gäste, die im Zeitlos stets zurückgezogen wie die Einsiedler logierten, wirkte abgelebt und abgekämpft. Sie hatte noch abgelebter und abgekämpfter gewirkt, als sie eingecheckt hatte. Aber als

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