Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
Vom Netzwerk:
vierundsechzigjährige Eignerin und Vorstandsvorsitzende einer Multimilliarden Dollar schweren Importfirma hatte sie jedes das Recht dazu.
    Sie hatte sich darüber hinaus das Recht auf absolute Wahrung ihrer Privatsphäre ausgebeten, vollkommene Abgeschiedenheit. Sie wollte verdammt noch mal ihre Ruhe haben.
    Heute hatte Phin gegen jeden der von ihr geäußerten Wünsche verstoßen.
    Er rieb sich die Stirn.
    »Ich möchte Sie bitten, ruhig und gelassen zu bleiben.« Lillianwagte sich unter die aufgebrachten Gäste. Sie war so unnachgiebig und ernst, wie Phin sie nie zuvor erlebt hatte. Es war nicht einmal nötig, dass sie die Stimme erhob, um sich Gehör zu verschaffen. Ihr Ton war scharf, getragen genug, um ihr sofort die ungeteilte Aufmerksamkeit aller einzubringen. Zeugte von natürlicher Autorität. »Meine Damen und Herren, wir entschuldigen uns in aller Form für die Unannehmlichkeiten, die Sie erdulden müssen. Aber bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir das Zeitlos um Ihrer eigenen Sicherheit willen schließen müssen. Bis wir das Problem haben eingrenzen können   …«
    »Das Problem , Lillian, ist Ihr Personal, ganz eindeutig«, plusterte sich Rook auf. »Ihren Leuten fehlt eine starke Hand! Wegen Ihrer Nachlässigkeit sind sie schlampig geworden.«
    Die anderen Gäste murmelten zustimmend, und Phin ertappte sich bei dem Wunsch, dem Mistkerl eins aufs Maul geben.
    »Wir sind uns bereits über die Natur des Problems im Klaren, Mr.   Rook«, fuhr Lillian unbeirrt fort. »Es gilt nur noch, es ausfindig zu machen und zu beheben. Bis dahin haben wir nicht die Absicht, die Sicherheit von Gästen und Personal zu gefährden.«
    Es war das Schwierigste, was Phin je in seinem Leben getan hatte.
    Während die Gäste nacheinander das Zeitlos verließen, begleitet von Mitarbeitern, die sich um ihr Gepäck kümmerten, lehnte sich Phin gegen die Rezeption und sah zu, wie die Welt, die er kannte, in Stücke ging.
    Genau dieselbe müde Gewissheit konnte er von Lillians Gesicht ablesen; er sah sie in ihren Augen, in dem erschöpften Zug um ihren Mund.
    Dennoch lächelte sie, als sie über den Marmorboden der Lobby auf ihn zukam und sich zu ihm an die Rezeption gesellte. »Abigail wird sich mit der Zeit erholen. Die beiden Unfälle waren immerhin nicht tödlich.«
    »Aber es waren keine Unfälle, Mutter, weder der eine, noch derandere.« Dass sie genauso dachte, verriet ihm das Aufblitzen in ihren Augen. Phin fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Es half nicht gegen die Erschöpfung, in der sein Verstand zusehends versank. »Das Zeitlos ist erledigt. Aus und vorbei.«
    Lillian blickte ihn an, neigte den Kopf. »Vielleicht. Aber wenn ja, dann bauen wir uns eine neue Existenz auf. Irgendwo, irgendwas. Wir kommen schon zurecht.«
    »Unfassbar.« Phin stemmte die Ellenbogen rücklings auf den Tresen der Rezeption und legte den Kopf in den Nacken. Für einen Augenblick schloss er die Augen. »Absolut unfassbar. Das Zeitlos gibt es jetzt schon so lange, und es genügt ein einziger Mensch, um das alles kaputtzumachen, das Leben so vieler Menschen zu ruinieren?«
    »Phin«, sagte Lillian. Es klang so weich, wie sie es sagte, dieses eine Wort, so mitfühlend und tröstlich.
    Phin hob den Kopf. »Und was machen wir mit dem Personal? Wir können sie nicht alle weiterbeschäftigen und bezahlen, während sie gar nicht für uns arbeiten.« Er stieß sich vom Tresen ab und straffte Schultern und Rücken. »Und die Verfolgten, die wir in Sicherheit gebracht haben? An wen sollen die sich jetzt noch wenden? Wie viele wird man verhaften, wie viele lässt die Kirche hinrichten, ohne uns, die ihnen Schutz und Sicherheit geboten haben?«
    »Phin, mein Junge.«
    »Das ist nicht fair!«, brauste er auf. Er wusste, dass er wie ein bockiges Kind klang. Er massierte sich die Schläfen, holte tief Luft und wiederholte in ruhigerem Ton: »Es ist nicht fair ihnen gegenüber. Oder uns gegenüber.«
    Lillian legte ihm die Arme um den Hals. »Komm her, Liebling.« Weil er größer war als sie, musste er sich zu ihr hinunterbeugen, um die Stirn in ihre Halsbeuge zu schmiegen und dort ihren Herzschlag zu spüren. Er umarmte seine Mutter, verschränkte die Finger in ihrem Rücken und genoss für einen kurzen, aber vollkommenen Augenblick das Gefühl, die Welt sei in Ordnung. Die Wärme seiner Mutter durchdrang die kalte Angst, die ihn gepackt hielt und ihm die Luft abzuschnüren drohte.
    Ihre zusammenhangslosen Worte vermochten endlich den Stich zu

Weitere Kostenlose Bücher