Blutschuld
brauchte nicht zuzupacken, um ihr Schmerzen zuzufügen.
Naomi bleckte die Zähne zu einem Raubtierlächeln. »So was aber auch, du hier!«
Der Hexer streckte die schwielige Hand nach ihr aus, und Naomi konzentrierte sich ganz auf die sich schwach abzeichnenden, braunen Linien, die in die Handfläche des Kerls tätowiert waren. Magie setzte die Luft in Brand. Unsichtbar sprang der Feuerfunken auf Naomi über und raste wie mit tausend Stacheln über ihre Haut. Unmittelbar darauf flammte der Andreas-Schild in Reaktion auf den Angriff auf und schlug ihn zurück. Gleißend blau sickerte Licht aus dem Netzstoff von Naomis Hose.
Das Tattoo brannte wie die Hölle, als es die Hexerei abwehrte. Die Schmerzen waren unerträglich.
Mit gefletschten Zähnen pirschte sich der Hexer an. Das zwangNaomi, rücklings ins Schlafzimmer zurück zu stolpern. Dort war weniger Platz. Naomi wollte den Kerl in einer Ecke festgenagelt wissen. »Wer zum Teufel bist du?«, fragte sie grimmig.
Der Hexer ließ ihr keine Zeit, ihm auszuweichen. Er drang weiter auf sie ein, kam näher. Der Abstand schrumpfte Meter um Meter. Viel zu schnell musste Naomi zurückweichen, viel zu schnell, um das Gleichgewicht zu halten. Sie versuchte, einen seitlichen Ausfall, versuchte trotz der Scheißmagie, die das verfluchte braune Tattoo in der Handfläche des Hexers wob, einen klaren Gedanken zu fassen.
Der Hexer stürzte sich auf sie; sie wich nach hinten aus. Zu langsam. Er rammte ihr eine flache Hand in den Leib, und Naomi krümmte sich zusammen. Schmerz, überall Schmerz.
Ihr Kopf. Der Andreas-Schild. Ihr Rücken, als sie gegen die scharfe Kante der schweren Schiebetür zwischen Wohn- und Schlafzimmer prallte. Sie sah nur noch Sterne, als der Schmerz in ihrem Schädel explodierte wie eine Supernova.
Als sich die große Hand vorn in ihr Sport-Top krallte, biss Naomi die Zähne zusammen. »Hexenjägerin«, knurrte der Hexer und riss sie mit sich, fort von der Schiebetürkante, die sie aufrecht gehalten hatte. Seine Augen füllten Naomis ganzes Blickfeld, wütend zusammengekniffene blaue Augen. Er trieb sie vor sich her, hinein ins Schlafzimmer. »Das Einzige, was dich noch am Leben hält, ist das beschissene Tattoo, das ihr alle tragt!«
Naomi fletschte die Zähne. »Glaub’ ruhig weiter dran.«
»Wird gleich keine Rolle mehr spielen.«
Sein Haken hatte die Durchschlagskraft einer verfluchten Panzerfaust.
Als die Faust auf ihr Gesicht traf, riss es Naomi von den Füßen. Ein scharfer Schmerzstoß zuckte ihr quer über die Nase, als die so gut versorgte Wunde mit der Leichtigkeit von zerkochtem Fleisch zerfaserte. Der Schwung des Faustschlags trug Naomi bis hinüber auf die Matratze. Blut spritzte über die Maulbeerseide der eleganten Tagesdecke. Die Hexenjägerin prallte auf der Matratze auf und federte zurück.
Die Magie, die auf ihr lastete wie ein Fluch, ebbte ein wenig ab, nur für den Bruchteil einer Sekunde. Naomi fiel zu Boden, rollte sich ab und sprang auf die Füße, ehe der Hexer sie erneut packen konnte. Gleißend blaues Licht flackerte durch das edle, in gedämpftes Licht getauchte Interieur der Suite. Es spiegelte sich in den tiefblauen Augen des Hexers.
»Was willst du von mir?«, fragte Naomi. Zeit schinden. Sie musste ihn unbedingt von dem Teppich herunterbekommen.
Verdammt schwierig, da Blutflecken wieder rauszubekommen.
Der Hexer streckte Naomi die erhobene Hand entgegen. Wieder füllte das zornige Summen der Magie Naomis Kopf.
»Was ich will, spielt keine Rolle«, antwortete der Hexer kurz angebunden. »Der Boss sagt, du gehörst erledigt.«
»Der Boss?«
Der Hexer spreizte die Finger. Einen Sekundenbruchteil lang glaubte Naomi zu sehen, wie die unscheinbar braunen Linien seines seltsamen Tattoos glutrot aufblitzten.
Der Druck auf ihren Kopf nahm so zu, dass Naomi die Augen zusammenkneifen musste, um trotzdem noch etwas zu sehen. »Wer hat dich geschickt?«
»Wer hat dich geschickt?«
Verflucht! Naomis Knöchel verfingen sich in den achtlos fallen gelassenen Kleidungsstücken. Mit einem Griff nach dem Knauf der Badezimmertür konnte sie den Sturz abfangen. Sie blinzelte den Schweiß fort, der ihr in die Augen rann. Blut lief über ihre Oberlippe; es schmeckte warm und metallisch.
»Oh-kay«, sagte sie gedehnt und verzog den Mund zu einem rasiermesserscharfen Lächeln, so dünn war es. »In Ordnung.« Sie würde dieses Spiel keine Sekunde länger spielen als unbedingt nötig.
Der Kerl war beileibe nicht der mächtigste
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