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Blutschuld

Blutschuld

Titel: Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Cooper
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der Schwelle eine wartende Gestalt. Vielleicht war es der Empfangschef. Halt, Empfangsdame, der Silhouette nach.
    »Wie geht denn das Zoomen bei dem Ding?«, fragte sie. Geflissentlich hatte sie die unterdrückte Ungeduld in Jonas’ Tonfall überhört. »Ich muss sehen, wer da vor der Lobby steht.«
    »Heiliger Strohsack, Naomi!«, entfuhr es Jonas, die Anspannung in seiner Stimme war überdeutlich. »Da greift dich in dem Nobelschuppen ein Hexer an, und du lässt ihn auch noch entwischen?«
    Naomi zögerte einen Herzschlag lang, ehe sie einräumte: »Na ja, zumindest vorerst. Er hat mich kalt erwischt und die Chance genutzt. Aber sehr viel länger kann er das Versteckspiel nicht mehr treiben. Was ist nun mit dem Zoom?«
    »Da ist eine Schiebetaste oben auf dem Glas. Aber jetzt mal ernsthaft«, bedrängte Jonas sie, »und verarsch mich ja nicht: Bist du okay?«
    »Ja.« Der Zeigefinger, mit dem sie das Glas absuchte, fand sein Ziel: Naomi bewegte den Metallschieber. Das Gerät surrte beinahe lautlos, und keinen Lidschlag später füllte das Gesicht des Empfangskomitees die Linsen. Naomi speicherte die Frau in ihrem Gedächtnis ab. Blondes Haar, groß, elegant gekleidet und mit einem Lächeln auf den Lippen.
    Naomi ließ ihre Schultern kreisen, aber die Verspannung in ihrem Nacken blieb. »Der Andreas-Schild hat gut funktioniert. Trotzdem ist der Hexer nah genug an mich rangekommen, um mich fast außer Gefecht zu setzen. Hab nur ’ne Beule am Hinterkopf. Verdammt schlampige Arbeit. Also: Hat Eckhart dir gesagt, was nun mit meiner Waffe ist?«
    Am anderen Ende klackte Jonas hörbar die Zähne aufeinander. Es war ein vertrauter Laut. »Naomi   …«
    Ihr Blick zuckte zu dem Com hinüber, das sie auf dem Bett hatte liegen lassen. »Ich bin immer noch Missionarin, Stone«, sagte sie kurz angebunden.
    In ihrem Ohrstecker hörte sie Jonas tief Luft holen. Dann, mit einem Seufzer, gab er nach. »Ja, Eckhart hat mir gesagt, dass das mit der Waffe in Ordnung geht. Ich werde sehen, was sich machen lässt. Wir können nicht zu dir rein, also musst du zu uns raus, um sie in Empfang zu nehmen.«
    »Wär aber kein Problem, einen von euch hier reinzukriegen.«
    »Geht nicht. Wir haben unsere Befehle.«
    »Verfluchte Affenscheiße,« grummelte Naomi. Politik! »Okay, ich lass mir was einfallen.« Unten trat die Frau in den Lichtkranz, der sich von der erleuchteten Lobby in die Dunkelheit hineinfraß. Naomi beobachtete, wie die Empfangsdame den ankommenden Gast willkommen hieß. Sie nahm die Frau mit der lächerlichen Sonnenbrille bei beiden Händen und hauchte rechts und links neben ihren Wangen Küsse in die Luft.
    Wie Naomi dieses affektierte Getue hasste! Das war die erste Lektion, die sie von ihrer Mutter gelernt hatte: Ihre Mutter fürchtete kaum etwas mehr, als dass ihr schmutziges Kind ihr das Make-up verschmieren könnte.
    »Na, damenhaft wie immer«, meinte Jonas gedehnt. »Hast du in dem Schuppen sonst noch was mitbekommen?«
    »Nein.« Naomi hatte nicht vor, sich über den Geist in der Umkleide zu unterhalten. Keine Details, ehe sie nicht echte Details zu bieten hatte. Abgelenkt betrachtete sie die neongrüne Lichtspur um jede der Gestalten, die unten vor der Lobby stand: Concierge, Gast, Kofferträger. Wie bei einem sich ständig ändernden Computerdisplay verschmolzen die neogrünen Identifizierungsränder ineinander und nahmen ihr die Sicht. Als Naomi das Glas senkte, schaltete es sich automatisch ab.
    Gleich darauf aber hob sie es wieder an die Augen. In ihrem Sichtfeld hatte der Prozessor etwas identifiziert. »Was Besseres als ›Lebensform‹ ist nicht drin?«
    »Wieso? Das ist korrekt.«
    »Herr im Himmel, was bist du nur für ein Nerd, Jonas! Warum zum Teufel bin ich   …. Scheiße! « Gerade eben war sie noch belustigt gewesen. Aber jetzt schoss eine Faust aus reinem Adrenalin vor und traf Naomi mitten in die Brust. »Wo zum Henker ist er hin?«
    »Wer?«
    »Drei Kofferträger.« Naomi streckte den Rücken durch, als sie, das Glas nur in einer Hand, mit den Okularen den Gehweg absuchte. »Drei, zum Teufel! Aber wo ist der vierte?«
    »Naomi? Was ist los? Wovon redest du?«
    In der Nordost-Ecke der schwer einsehbaren künstlichen Landschaft des Atrium-Parks bewegte sich etwas. Naomi fluchte. Eine Tür, die Naomi nie zuvor bemerkt hatte, schloss sich sacht und schnitt dabei den Streifen Licht ab, der die Tür gerade eben noch verraten hatte. »Dieser Wellness-Tempel, dieser ganze Schickimicki-Klotz«, stieß

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