Blutschwestern
von dem Bollwerk geblieben, das sie bei seinem ersten Angriff gebildet hatten. Ihm schien
fast, als würde ihnen der Kopf zum Denken fehlen. Seine Männer erschlugen die Krieger Dunguns mit ihren Schwertern und Äxten,
und sie fielen wie reifes Obst einer nach dem anderen zu Boden.
Als sie in der Oberstadt ankamen, postierten sie sich vor dem Tempel, doch auch hier leisteten sie nur wenig Gegenwehr. Tojar
erschlug gleich drei von ihnen mit einem einzigen Streich seines Schwertes. Um ihn herum hatten seine Männer neuen Mut geschöpft,
da sie spürten, dass sie diesen Kampf gewinnen konnten. |256| Zwar waren es viele, die sie bedrängten, aber sie waren nur lächerliche Schatten derjenigen, die sie noch vor drei Tagen geschlagen
hatten. Tojar ergriff einen von ihnen und packte ihn am Hals. »Wo ist Karok? Wo ist euer verfluchter Hohepriester?«
Als der Mann ihm nicht antwortete, stieß Tojar ihn zu Boden und erschlug ihn mit dem Schwert. Um ihn herum ertönten die Schreie
der Sterbenden. Nach einer Weile wurde es ruhiger, bis schließlich Stille einkehrte und es niemanden mehr gab, den er hätte
niederstrecken können. Er sah den Greif, wie er bei dem totkranken Mädchen auf den Tempelstufen kniete. Mit schnellen Schritten
ging er zu ihm und schüttelte den Kopf. »Sie hat es nicht geschafft?«
Dawon legte seine Hand auf Nonas Gesicht. »Nona lebt, sie ist nur nicht in ihrem Körper.«
Tojar brachte es nicht übers Herz, diesem einfältigen Geschöpf, das noch harmloser und argloser als ein Kind war, die Wahrheit
zu sagen. Das Mädchen in seinen Armen war tot, ihre Brust hob sich nicht mehr, ihre Augen flatterten nicht unter den Lidern.
»Wo ist Ilana?«, fragte er stattdessen.
Der Greif wies mit der Hand auf ein Haus, etwa hundert Schritte von ihnen entfernt. Tojar winkte seinen Männern, ihm zu folgen.
Diesem Mädchen konnte er nicht mehr helfen, aber Ilana konnte er noch retten. Er beachtete den Greif nicht weiter und lief
gemeinsam mit seinen Männern zu dem kleinen steinernen Gebäude. Wenige Axthiebe genügten, um die Tür aus den Angeln zu schlagen.
Er fand Ilana auf dem Boden liegend. Sie erkannte ihn kaum. Hastig nahm Tojar seinen Wasserschlauch und betupfte ihr leicht
die Lippen. Sie wollte gierig trinken, ihm den Wasserschlauch aus der Hand reißen, doch Tojar wusste, dass sie erst langsam
wieder beginnen durfte, Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Schließlich hob er sie hoch und trug sie aus dem Haus. Sie öffnete
die Augen und erkannte ihn: »Nona!«, sagte sie mit krächzender Stimme. »Ich habe sie gerufen, obwohl ich es nicht wollte.
Der Priester will das Kind |257| für Muruk. Ich wollte es nicht, aber ich konnte es nicht mehr aushalten.«
»Dungun ist geschlagen«, beruhigte Tojar sie, und sie sah ihn hoffnungsvoll an. »Nona? Wo ist sie?«
Er schüttelte traurig den Kopf und spürte, wie alle Hoffnung aus ihr entwich. »Dann sind wir verloren, auch wenn Dungun geschlagen
ist. Bring mich zu ihr, ich muss sie sehen. Sie hat ihr Leben für mich gegeben.«
Tojar trug sie zum Tempel hinauf und blieb dann stehen. Voller Verwunderung blickte er sich um. Das Mädchen war fort, und
der Greif war ebenfalls nicht mehr da. Er suchte sie zwischen seinen Männern, doch konnte er sie nirgends entdecken.
»Dawon hat sie fortgebracht«, sagte Ilana leise, als sie Tojars verwirrten Blick bemerkte. »Er wird sie an irgendeinen Ort
bringen, wo sie niemand findet. Sie hat im Leben eine große Last getragen. Nun ist sie frei.«
»Ja«, antwortete Tojar leise. »Und was ist mit uns, was ist mit den Menschen? Werden auch wir frei sein? Wo ist der Karok?«
Sein Blick fiel auf den Tempel. Er wies seine Männer an, die Tore einzuschlagen, und dann durchsuchten sie den Tempel. Als
sie den Hohepriester Muruks im Tempel nicht fanden, durchkämmten sie ganz Dungun.
Karok blieb jedoch verschwunden.
Erst spät in der Nacht gaben sie auf. Ilana, die, in eine Decke gewickelt, gewartet hatte, bis sie die Stadt durchsucht hatten,
erholte sich langsam. Schließlich fasste sie Tojar am Arm und sagte leise: »Karok ist nicht mehr hier. Vielleicht ist er tot.
Wenn er fort ist, ist Muruks Macht geschwächt.«
Tojar dachte an die Schjacks, die sich den ganzen Weg nach Dungun nicht einmal gezeigt hatten, er dachte an die Krieger Karoks,
die so hilflos unter den Schwertern seiner Männer gestorben waren. Vielleicht hatte Ilana recht. Auf jeden Fall konnten sie
nicht hierbleiben und
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