Blutschwestern
kalten Augen. »Ich bringe dich in den Tempel, Karok erwartet dich bereits. Er wusste, dass du versuchen würdest,
fortzulaufen … das versuchen sie alle einmal. Karok lässt ihnen für eine kurze Zeit die Hoffnung. Es gefällt ihm, dies zu
tun.« Pakal lachte rau und schadenfroh.
Akari versuchte sich loszureißen, doch der Griff des Mannes war hart wie Fels. »Nein, nein! Lass mich!«, schrie sie ihn an.
Pakal ließ sich nicht beeindrucken und zog sie am Arm, fort vom Stadttor, fort von der Freiheit. Akari verfluchte ihn, sie
trat nach ihm, sie versuchte an ihr Schwert zu gelangen. Als sie sich dem Tempel Muruks näherten, weinte und flehte sie Pakal
an, sie gehen zu lassen. Aber Pakal kannte keinerlei Gnade. Er zog sie die wenigen Stufen zum Heiligtum hinauf und schob sie
durch die Tür, wo die Menschen Dunguns sie mit ihren leeren Augen ansahen und sich dann wieder Karok zuwandten, als würde
nicht gerade ihre weinende und schreiende Königin wie ein Schlachtopfer vorgeführt werden.
Die Reihen der Leiber öffneten sich für Akari, und kurz darauf erkannte sie den Hohepriester, der mit blutigen Händen in der
Brust eines Opfers wühlte und mit einem triumphalen Schrei das Herz des unglücklichen Toten herausriss. Pakal gab Akari einen
Stoß, so dass sie Karok fast in die Arme gefallen wäre. Die Menge fiel in das Triumphgeheul des Hohepriesters ein, und Akari
konnte ihre Stimmen hören, die zu Ehren Muruks ekstatische Laute ausstießen.
»Königin Akari«, sprach der Hohepriester heiser, als er das vor Schrecken erstarrte Gesicht Akaris erblickte. »Also bist du
gekommen, um Muruk zu ehren … endlich!«
»Nein, nein! Niemals werde ich ihn ehren, ich hasse ihn, ich verabscheue ihn, ich spucke auf ihn«, schrie Akari ihm entgegen.
|60| Karok schien kaum beleidigt durch ihre Worte. »Nähre ruhig deinen Hass und deine Wut, Königin. Sie sind der Weg in Muruks
Reich!« Mit funkelnden Augen hielt er ihr das Herz des Geopferten hin und forderte sie auf, davon zu kosten. Akari fühlte,
wie Schwindel in ihren Kopf stieg, dann brach sie zusammen, und es wurde schwarz um sie herum.
Trinke … Blut … Muruks Geschenk
, hörte Akari Wortfetzen an ihr Ohr dringen, als sie endlich wieder zu sich kam. Sie öffnete die Augen und erkannte die Decke ihrer Kammer. Man hatte
sie zurückbringen lassen. Fast schon erleichtert war sie, nicht mehr im Tempel zu sein. Die Erinnerung an das Grauen kehrte
gleich einem Sturm zu ihr zurück.
Ich muss sofort von hier fliehen!
Akari versuchte sich aufzusetzen, wurde jedoch unsanft von zwei starken Armen zurück auf ihr Lager gedrückt. Dann erschien
die hässliche Fratze Karoks vor ihrem Gesicht. »Königin Akari, du warst unfreundlich. Du wolltest dein eigenes Königreich
verlassen und verraten.«
»Es ist nicht mein Königreich!«, presste sie hervor und versuchte sich von den Händen zu befreien, die sie mit schmerzhaftem
Griff hielten.
»Glaubst du denn, du bist die Einzige, die es versucht hat?«, raunte der Hohepriester verächtlich. »Alle haben es versucht,
und alle sind sie letztendlich Muruks Dienerinnen, seine Sklavinnen geworden!«
Akari starrte ihn hasserfüllt an. »Wie kannst du, der du ein Mensch bist, deinen eigenen Brüdern und Schwestern so etwas antun?«,
schrie sie ihm entgegen.
»Wer behauptet, dass ich ein Mensch sei?«, flüsterte er nun beinahe geheimnisvoll.
Akaris Augen erkannten, was sie vorher in ihrer Angst und Trübsinnigkeit nicht gesehen hatte – dass sein Gesicht nicht verbrannt
und vernarbt war. Er öffnete den Mund und entblößte zwei Reihen scharfer spitzer Zähne. Akari schrie auf und versuchte mit
allen Kräften von ihm fortzukommen. »Sohn eines Schjacks …«, |61| schrie sie immer wieder voller Entsetzen, keines klaren Gedankens mehr fähig. »… Kreatur des dunklen Gottes!«
Er ließ sein meckerndes Lachen hören und schüttelte den Kopf. »Nein, mein Kind, nicht Sohn eines Schjacks … Vater der Schjacks,
Sohn des Muruk! Ich bin älter als die Welt, die du kennst.« Er ließ sich von Pakal, der neben ihm stand, den Silberbecher
reichen und sprach: »Und nun Königin, ist es an der Zeit, dass du eine wahre Dienerin Muruks wirst!«
Er führte den Becher an Akaris Mund, und sie presste die Lippen zusammen. Angeekelt stellte sie fest, dass die eingedickte
Flüssigkeit ihr Kinn hinunterlief. Pakal jedoch hielt ihre Nase zu, und schließlich floss das zähe bräunliche Blut in ihren
Mund,
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