Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
Unterstadt brannten.
     Dies konnte nur bedeuten, dass die Greife vor ihnen in Engil angekommen waren. Wahrscheinlich ließen sie die Tore Engils bewachen,
     aber gewiss rechneten sie nicht mit ungebetenem Besuch aus der Luft. Sie waren, |181| abgesehen von den Vögeln, nun einmal die einzigen Wesen, die sich in den Himmel erheben konnten. Nona hatte Sala wieder einmal
     dafür gedankt, dass Dawon an ihrer Seite war. Nun, da er sie abgesetzt hatte, bemerkte sie seine Erschöpfung. Sein Atem ging
     schwer, und seine Arme zitterten. Nona bückte sich zu ihm und half ihm auf. Sanft legte sie ihre Hand an seine Brust und bat
     ihn, sich auszuruhen.
    »Dawon wird Nona nicht allein lassen«, erklärte er ihr, doch dieses Mal wollte sie nicht nachgeben.
    »Dies ist meine Bürde, Dawon. Du hast mich nach Engil gebracht und bist erschöpft. Du musst dich hier verstecken, bis ich
     zurück bin.«
    Er schüttelte den Kopf und legte seine zitternde Hand auf ihren Bauch. Noch immer trug sie das feine Gewand der Lalu-Frauen.
     Ihre Kleidung sowie ihr Waffengürtel waren nicht auffindbar gewesen. Die Lalu-Frauen duldeten nichts Erdgebundenes in ihrer
     Nähe, offenbar hatten sie ihre alte Kleidung fortgeschafft. Nona hätte sich in diesem Moment besser gefühlt, wenn sie ein
     Schwert oder ihr Wurfholz gehabt hätte, doch im Innern wusste sie, dass sie die Greife damit nicht hätte besiegen können.
     Es war vollkommen gleichgültig, ob sie mit oder ohne Waffen vor sie trat, es musste einen anderen Weg geben, sie aufzuhalten.
    »Ich komme zurück«, versprach sie Dawon und legte ihre Hand auf seine, welche noch immer auf ihrem Bauch ruhte. »Das Kind
     wird mich beschützen.«
    »Dawon liebt Nona, er will sie nicht verlieren«, flüsterte er ihr müde zu, und sie schlang die Arme um seinen Körper, der
     ihr trotz der Schwingen und der Knochenauswüchse an der Wirbelsäule mittlerweile vertrauter erschien, als ihr je ein menschlicher
     hätte sein können. »Du wirst mich nicht verlieren, ich komme zurück«, versprach sie noch einmal, obwohl sie nicht wusste,
     ob sie das Versprechen würde halten können. Doch auf keinen Fall würde sie zulassen, dass Dawon sich mit Blut befleckte. Seine
     Bürde war eine |182| andere als der Kampf. Seine Bürde war sie – Nona, und dies war schwer genug für ihn.
    Schließlich gab er nach, und sie wusste, dass er ihr trotz seiner Erschöpfung gefolgt wäre, wäre es ihm möglich gewesen. Doch
     der Greif besaß nicht einmal mehr die Kraft, sich auf seinen alten Lieblingsbaum zu schwingen.
    »Nona, Gefährtin«, sagte er deshalb noch einmal leise, »kehre zurück zu Dawon.«
    Sie legte ihre Stirn an seine, und eine Weile verharrten sie so, bis Nona sich erhob und durch die Gärten davonging.
    Sie bemühte sich, keinen Lärm zu machen, als sie den Hügel hinablief und musste achtgeben, nicht zu stolpern. Es schien leise
     und friedlich in Engil, beinahe schon zu friedlich. Nona ahnte, dass der Schein trog. Als sie den Hügel hinunterkam, ließ
     sie den Opferkreis Muruks rechts liegen und wandte sich zum Tempel Salas. Dort bot sich ihr ein Bild des Grauens. Sie fand
     die Priesterinnen Salas allesamt tot auf dem Tempelvorhof und hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzuschreien,
     als sie die vielen geschundenen Leiber der Frauen erblickte.
    Nona bewegte sich leise zwischen den leblosen Körpern und bückte sich nach allen Priesterinnen, in der Hoffnung, dass vielleicht
     noch einige von ihnen lebten. Doch sie waren alle tot. Die Greife hatten sie mit ihren scharfen Klauen zerfetzt.
    Schließlich trat sie an den nackten Körper einer Priesterin, der neben einem Baum lag. Wie sie die Frau an der Schulter berührte,
     konnte sie ein leises Wimmern vernehmen. Nona drehte sie vorsichtig zu sich um und erschrak, als sie in das verängstigte Gesicht
     Liandras blickte. Die Hohepriesterin lebte, doch aller Stolz war aus Liandras Blick verschwunden. Sie starrte Nona an, und
     zuerst schien sie Nona nicht zu erkennen, denn sie begann auf sie einzuschlagen.
    »Liandra, ich bin es – Nona. Was ist geschehen? Sind die Greife hier? Haben sie Engil angegriffen?«
    |183| Langsam wich der Wahnsinn aus Liandras Augen. Die Priesterin erkannte sie und krallte sich an ihr fest, dass Nona die Zähne
     zusammenbeißen musste, um nicht aufzuschreien. »Nona … du bist hier! Du musst sofort fliehen. Sie sind gekommen, sie haben
     die Männer getötet und schänden die Frauen. Es ist zu gefährlich für dich

Weitere Kostenlose Bücher