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Blutschwestern

Blutschwestern

Titel: Blutschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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zu Atem zu kommen. Von
     hier aus war es nicht mehr weit bis in die Unterstadt mit ihren Schenken und Gasthäusern. Sie ging langsam weiter, denn sie
     wollte sich nicht verausgaben, bevor sie die Greife fand. Die Straßen der Unterstadt waren dunkel, doch aus einigen Gasthäusern
     drang der Lärm von Feiernden, die wild und ausgelassen zechten. Wie Nona es erwartet hatte, begossen sie ihren Sieg mit engilianischem
     Wein.
    Als sie weiterging, vernahm Nona aus einem der Höfe ein leises Scharren. An der Umfassungsmauer blieb sie stehen und lauschte.
     Wieder konnte sie das Scharren hören, dann leises Jammern. Sie ging um den Hof herum und suchte nach einem Zugang. Die einzige
     Tür war jedoch verschlossen, und sie erinnerte sich bitter an ihre kurze Gefangenschaft in Dungun. Diese Gefangenen hatten
     keinen Greif, der sie befreien würde … im Gegenteil! Nona beschloss, dass sie handeln musste, bevor sie die Greife suchte.
     Viel zu ungewiss war es, ob sie danach noch in der Lage dazu wäre. Es war klug, den Eingesperrten vorher zur Flucht zu verhelfen.
     Sollte sie scheitern, wären sie so nicht dem unmittelbaren Groll der Greife ausgesetzt. Vielleicht konnten sie fliehen; es
     war zumindest besser, als eingesperrt in diesem Hof auf ihr Schicksal zu warten. Die Mauer war nicht sehr hoch, doch wahrscheinlich
     wagten sie allein keinen Fluchtversuch. Lieber wenige Stunden leben und hoffen, als der Tod in den Straßen Engils oder auf
     Muruks Altar. Die Engilianer waren keine Krieger, sie waren nicht zum Kampf und zur Tapferkeit erzogen worden.
    Nona hangelte sich am rauen Putz der Mauer hoch und war bald auf der Mauerkrone angekommen. Als sie in den Hof hinabstarrte,
     blickten ihr verweinte ängstliche Gesichter von fast fünfzig Frauen entgegen. Einige von ihnen hatten Kinder bei sich, junge
     Mädchen, noch nicht dem Kindesalter entwachsen, und kleine Jungen. Ältere Knaben oder Männer sah sie nicht. Sie wollte sich
     nicht vorstellen, |191| was die Greife mit den älteren Knaben getan hatten. Auf dem Weg in die Unterstadt hatte sie den ätzenden Geruch von Flammen
     wahrgenommen und ahnte mittlerweile, was die Feuer bedeuteten, welche sie und Dawon gesehen hatten, als sie Engil erreichten.
     Die Greife hatten die Unterstadt gesäubert. Keine Toten lagen in den Straßen. Nur die Priesterinnen Salas in der Tempelstadt
     hatten sie liegen lassen, vielleicht um die Göttin zu beleidigen.
    Da sie keine Zeit für Erklärungen hatte, streckte Nona ihre Hand hinunter. »Ihr müsst fliehen! Ich werde euch helfen.«
    Die Frauen rührten sich nicht. »Sie werden uns töten, wenn wir es versuchen«, flüsterte eine von ihnen verängstigt, und die
     anderen nickten stumm.
    »Sie sitzen in den Schenken und betrinken sich, um ihren schändlichen Sieg zu feiern. Jetzt ist eure Gelegenheit, ihnen zu
     entkommen. Haben sie euch angerührt?«
    Eine andere schüttelte den Kopf. »Bisher noch nicht. Sie haben uns nur zusammengetrieben. Seit fast drei Tagen werden wir
     hier festgehalten. Sie bringen uns Wasser und altes Brot, aber sie rühren uns nicht an. Es gibt noch vier weitere Höfe, in
     die sie Frauen gesperrt haben. Es scheint fast so, als würden sie auf etwas warten.«
    »Dann ist es eine noch bessere Gelegenheit zu verschwinden.« Nona reichte ihre Hand hinunter. »Kommt endlich!«
    »Wohin sollen wir gehen?«, fragte eine von ihnen angstvoll.
    »Geht in die Wälder von Isnal zu den Waldfrauen. Dort seid ihr sicher. Wenn es mir gelingen sollte, die Greife zu vertreiben,
     und Engil wieder sicher ist, werde ich einen Boten in die Wälder schicken, damit ihr zurückkehren könnt.«
    »Du kannst die Greife nicht vertreiben. Das ist unmöglich«, wandte eine der Frauen ein, doch Nona schüttelte nur den Kopf.
     »Es ist meine Bürde. Ihr sorgt nur dafür, dass die anderen Frauen mit euch gehen. Wenn ich euch geholfen habe, dann geht zu
     den anderen Höfen und befreit sie. Aber seid leise und vorsichtig.«
    |192| Immer noch schienen die Frauen zu zweifeln, doch dann ergriff die erste von ihnen Nonas Hand und ließ sich auf die Mauer ziehen.
     Sie reichte einer anderen ihre Hand, die wiederum der nächsten half, sobald sie auf der Mauer saß. Erst als Nona spürte, dass
     sie bereit waren zu fliehen und ihre Angst überwanden, ließ sie die Frauen alleine und ging zum nächsten Hof. Als sie auch
     diese Frauen befreit hatte, traf sie die anderen wieder. Mittlerweile waren alle Frauen und Kinder aus den Höfen geflohen.
    

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